Friedensgebet 29. 08 2022
Ökumenisches Montagsgebet am Montag, dem 29. August 2022 als PDF zum Download von Hans-Bernd Serries
Die Seligpreisungen
Aus dem Evangelium nach Matthäus 5, 1-12a
In jener Zeit als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte:
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne/Töchter Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.
Lied GL 458
Die Seligpreisungen sind der programmatische Text des Evangeliums. Jesus verkündigt sie von einem Berg, wie Mose die Zehn Gebote vom Berg Sinai. Doch widerspricht das alles nicht jedem gesunden Menschenverstand? Die Reichen, Starken und Mächtigen glücklich zu preisen, schiene jedenfalls näherliegend. Doch die Armen, Trauernden und Verfolgten? Und dann die Gewaltfreien, Gerechtigkeit Suchenden, Barmherzigen, Friedensstifter und jene, die ein reines Herz haben. Das ist ein hohes Ideal.
Die Seligpreisungen sehen die Welt vom Ende her. Sie zeigen uns das Ziel und erlauben dabei einen Blick in jenen „neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit herrscht“ (2 Petr 3,13).
Die Herrschaft Gottes lässt alles in neuem Licht erscheinen: Armut, Friedlosigkeit, Unrecht wird dann überwunden sein. Diese endzeitliche Verheißung gilt nach christlichem Glauben bereits für JETZT, da mit Jesus die Herrschaft Gottes schon begonnen hat.
Christen und Christinnen sind dazu berufen, an ihrem Kommen in dieser unserer Welt mit- zuwirken, sie durch Güte, Barmherzigkeit, Friedensstiftung, Ertragen von Unrecht und Her- zensreinheit sichtbar zu machen. Es braucht Kreativität und Gnade, um diese neue Welt durch unser Handeln mit zu schaffen. Das ist wohl gerade in einer Welt, in der Hass und Gewalt zur Zeit so übermächtig scheinen, so nötig wie schon lange nicht.
Ideale, sagte ein Weiser, sind wie Sterne für Seeleute. Man erreicht sie nicht, aber um ans Ziel zu kommen, muss man sich an ihnen ausrichten.
So richten wir uns heute Abend neu an den Seligpreisungen Jesu aus, um mit ihnen und durch sie ins Gebet zu kommen und die Anliegen unserer Zeit vor Gott zu tragen.
- Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Arm sein vor Gott – das ist nicht in erster Linie materiell und finanziell. Viel eher heißt das wohl: Nicht die geistig Hochmütigen, die in Eitelkeit und Überdehnung nur sich selbst als Maßstab haben, sind reich vor Gott, sondern jene Demütigen, die ihre eigene Unzulänglich- keit akzeptieren und ihr Schicksal im Vertrauen auf Gott gestalten, im Lobpreis des Schöp- fers auch seine Schöpfung bewahren und ihr Herz nicht verhärten im Angesicht von Schmerz und Not der anderen.
Gott, unser Vater.
Wir sind als deine Gemeinde versammelt und rufen dich an: Öffne unser Ohr,
damit wir hören und verstehen,
was du uns heute sagen willst.
Gib uns ein gläubiges Herz,
damit unser Beten dir gefällt
und unser Leben vor dir bestehen kann. - Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Vieles in unserer Welt, in unserer Kirche, in der Schöpfung, die uns anvertraut ist, scheint uns trostlos – wir fühlen uns manchmal vielleicht „untröstlich“. Jesus nennt aber nicht länger die Gierigen, Eitlen und Selbstgerechten glücklich, sondern die Trauernden und Trostlosen. Denn die Traurigkeit, von der Jesus spricht, ist eine „Weise des Widerspruchs gegen das, was alle tun … Es sind Menschen, die nicht mit den Wölfen heulen, die sich nicht in das Mitläufertum mit dem selbstverständlich gewordenen Unrecht hineinstellen lassen, sondern darunter leiden“ (Papst Benedikt XVI.). Gerade wenn uns manchmal zum Heulen zu Mute ist angesichts all des Unrechts und des Leids in der Welt, dürfen wir uns diese Seligpreisung auch persönlich zusprechen lassen.
Gott, unser Vater.
Bedrückt vom Elend unserer Zeit,
kommen wir zu dir.
Sieh auf die Not und Hilflosigkeit so vieler Menschen.
Lass sie an ihrem Schicksal nicht zerbrechen.
Stärke unter uns
das Bewusstsein der Verantwortung füreinander,
damit wir anfangen, geschwisterlich zu teilen und einander beizustehen.
- Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Die Gewalt eines Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, die Gewalt durch Terror, auch im Namen von Religionen, die Gewalt und der Machtmissbrauch in den Kirchen, im Sport und anderswo lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Jesus sagt aber deutlich, dass bei ihm nicht länger die Machtmenschen, Kriegsfürsten und Profiteure der Gewalt etwas gelten, sondern die Sanftmütigen, die keine Gewalt anwenden, die durch Deeskalation und Verge- bung den Grundstein für Frieden legen. Sanftmütigkeit ist biblisch verstanden der Hauptcha- rakterzug des vollendeten Menschen; wie Jesus von sich sagt, dass er „sanftmütig und de- mütig von Herzen“ ist.
Gott.
In Jesus von Nazaret hast du der Welt den neuen Menschen gegeben. Wir danken dir, dass wir ihn kennen dürfen;
dass sein Wort und Beispiel unter uns lebendig bleibt.
Öffne uns und viele Menschen für seine Gegenwart.
Rühre uns an mit seinem Geist.
Mach durch ihn auch uns zu neuen Menschen.
- Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt wer- den.
„Hunger und Durst“ – Lebensmittelknappheit durch den Krieg, Wasserknappheit, Dürre und Durst durch den KIimawandel. All das erleben wir in dieser Zeit; und auch den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit in dieser Welt. Jesus zeigt uns, dass nicht länger die Lügner und Betrüger, die Geizigen, Kleinkrämer und Vorteilssucher das Sagen haben, sondern die Ge- rechten, Menschen, die auf der Suche nach dem Großen sind, die sich nicht mit den Gege- benheiten abfinden; deren Herz unruhig geblieben ist, deren innere Sensibilität sie emp- fänglich macht für die leisen Zeichen, die Gott in die Welt hinein sendet und die auf diese Weise die Diktatur des Gewöhnlichen zerbrechen.
Verborgener Gott.
Du lässt uns Menschen gewähren,
du wartest und greifst nicht ein.
Du gibst uns Zeit,
du öffnest uns Wege,
du redest zu uns in Langmut und Liebe.
Wir danken dir für deine Geduld.
Bring uns immer wieder zur Besinnung.
Mach uns offen für dich.
Lass die ganze verlorene Menschheit hin finden zu dir.
- Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
„Barmherzigkeit“ im lateinische ist das die Misericordia, also die Haltung, die die Misere der Herzen kennt und wahrnimmt; die Haltung, die sich die Misere der Welt zu Herzen gehen lässt. Für Jesus gelten nicht länger die Ellenbogentypen, die Ich- und Ego-Menschen, die Berechnenden und Karriere-Besessenen, sondern die Barmherzigen, jene, die gelernt ha- ben, sich für einen anderen zu bücken, mit ihm zu teilen, ihn zu retten.
Gott.
Du kennst uns besser, als wir uns selber kennen.
Du weißt, wie sehr wir der Änderung und Umkehr bedürfen. Aber du trittst nicht mit Gewalt an uns heran oder mit List. Du kommst zu uns mit deinem Wort —
deinem offenen und guten,
deinem fordernden und heilenden Wort.
Gib, dass wir dir nicht ausweichen,
dass wir uns öffnen und dein Wort annehmen:
Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Bruder.
- Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Für Jesus sind die, die ein reines Herz haben und deshalb Gott schauen können, vielleicht jene, die das Böse meiden und sich vor schlechtem Denken fürchten, vor dem Billigen, Nie- derträchtigen; die das Gemeine und Hässliche verabscheuen und stattdessen im Schönen, Guten und Wahren Erfüllung finden. Das sind die, die ihr Herz vor Gott ausschütten können und so immer wieder den Blick auf ihn frei bekommen, um ihn zu schauen. Jetzt hier, in der Stille oder im ausgesprochenen Wort können wir ihm unser Herz ausschütten ……….
Gott.
Du suchst Menschen, die von dir sprechen
und der Welt deine gute Botschaft weiter sagen.
Hilf uns, Trägheit und Menschenfurcht zu überwinden und deine Zeugen zu werden —
mit unserem ganzen Leben.
- Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt wer- den.
Vom Klang her ist das womöglich die bekannteste der Seligpreisungen. Für Jesus gelten nicht länger die Hetzer und Aufwiegler, jene, die nach Vergeltung rufen und dem Terror frönen, auch im Namen Gottes, die ausgrenzen statt zu vermitteln, die spalten, verleumden, verletzen, Menschen verachten, die einer billigen Pointe wegen ihre Ehre verkaufen, Unruhe und Unfrieden stiften, die Unterschiede und Rangordnungen betonen, die kein gutes Haar am anderen lasse, die manipulieren und verfälschen, die Öl ins Feuer gießen und mit ge- spaltener Zunge reden – sondern jene, die Frieden stiften. Sie werden sogar „Kinder Gottes genannt“ werden, ein Ausdruck des versöhnten Menschen, der die Zerrissenheit mit Gott, die Ursache aller Vergiftungen, überwunden hat und daher auch andere versöhnen und Frieden stiften kann.
Gott, unser Vater.
Um deinen Frieden zu bringen
in unsere Welt voll Spannung und Streit,
ist dein Sohn zu uns gekommen und hat sein Leben eingesetzt. Er lebte nicht für sich, sondern gab sich dahin.
Lass uns erfassen, was er getan hat.
Hilf uns, mit ihm dem Frieden und der Versöhnung zu dienen.
Lied GL 459
Jesus formuliert acht Seligpreisungen im Matthäusevangelium. Die symbolische Zahl 8 ver- lässt den Kreislauf des immer Neuen und sich Wiederholenden (wie die 7 Tage der Woche z.B.) und weist uns auf die ewige Vollendung hin, die wir in Gottes Herrlichkeit erhoffen. Deshalb soll uns die achte Seligpreisung als Segenswort zugesprochen werden: Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Jesus Christus, du sagst,
all jene werden am Ende selig werden, die etwas gewagt haben,
die für die Wahrheit Gottes stritten und „um der Gerechtigkeit willen“
Nachteile und sogar Verfolgung in Kauf nahmen.
Ihnen gehört mehr als man auf Erden je haben könnte:
„Ihnen gehört das Himmelreich.“
Und du sagst: „Freut euch und jubelt, euer Lohn im Himmel wird groß sein!“ Lass uns mit dem Blick zum Himmel unsere Welt nicht aus den Augen verlieren und segne uns, damit wir hier und heute zum Segen für andere werden können.
Vaterunser ….
Der Herr segne dich und behüte dich
Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei die gnädig. Der Herr wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Heil.
Lied GL 475