Friedensgebet 28. November
Ökumenisches Montagsgebet am Montag, dem 28. November 2022 als PDF zum Download von Thorsten Wellenkötter
Leitgedanken aus dem Adventslied ‚Die Nacht ist vorgedrungen‘ – Gl. 220
Begrüßung: Wellenkötter
--> Eine Liedmeditation über das Adventslied: ‚Die Nacht ist vorgedrungen‘
--> Ähnliche Gedanken schon mal im letzten Jahr – immer noch aktuell!
-->Einladung Gl. 220 aufzuschlagen
Wir hören das Lied in einer Vertonung von Pamela Natterer aus dem Album ‚Feiert Jesus – Christmas edition‘
- Kerze
Vielleicht kommen Ihnen dieses Adventslied vertraut vor, immerhin findet es sich sowohl im katholischen, wie auch evangelischen Gesangbuch unserer Kirchen wieder – vielleicht aber ist es ihnen auch gänzlich unbekannt. Ein Adventslied, das eigentlich gar keines sein wollte, sondern als ein Liedtext zur Weihnachtszeit geschrieben wurde: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern,“ so dichtet im Advent 1937 der gläubige evangelische Christ Jochen Klepper und bezieht sich in seinen ersten Zeilen direkt auf ein biblisches Wort des Apostels Paulus. Denn an die christliche Gemeinde in Rom gewandt, schreibt Paulus: „Jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe.“ [Röm 13, 11b-12].
Einer seiner Leser ist der musikbegabte junge Volksschullehrer Johannes Paetzold. Die Worte des Jochen Klepper müssen Paetzold sehr berührt haben, so dass er eine Melodie komponiert, die auf wunderbare Weise das unterstreicht, was Klepper in seinem Text aussagen möchte
2.Kerze und 1. (!) Strophe des Liedes
"Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.
„So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern. Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein,“ so dichtet Klepper in dieser ersten Strophe. Der helle Morgenstern, der das Ende der langen Nacht ankündigt, er steht für Jesus Christus. Und dieser Morgenstern, er bescheint all unsere „Angst und Pein.“ Jochen Klepper wusste wovon er sprach, als er diesen Text verfasste. Seit Anfang der 30iger Jahre war er mit seiner jüdischen Frau Johanna verheiratet, die aus erster Ehe zwei Töchter mit in die neue Familie brachte. Bereits mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor Klepper aufgrund seiner jüdischen Beziehung seine Anstellung beim Rundfunk. Für ihn und seine Familie folgten Jahre der Demütigungen und Verunglimpfungen im nationalsozialistisch geprägten Berlin. Seine Ehefrau bot ihm die Trennung ihrer Beziehung an, um den Lebensweg Kleppers in Nazideutschland zu schützen. Doch der Ehemann stand zu seiner Ehefrau und sie zu ihm. Ein Jahr nach Beginn des zweiten Weltkrieges wurde Klepper als Soldat in den Kriegsdienst eingezogen. So versuchte er als Soldat seine Frau und die noch in Deutschland verbliebene Tochter vor der Deportation zu bewahren. Nach 10 Monaten wurde er aber allein aufgrund seiner jüdischen Verbindungen als ‚wehrunwürdig‘ entlassen. Als sich im Dezember 1942 seine Hoffnung auf eine Emigration nach Schweden für die jüngere Tochter zerschlug, sah die Familie keinen anderen Ausweg der drohenden Deportation zu entkommen, als ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen.
Beten wir für alle Menschen in scheinbar ausweglosen Situationen, weil politische und gesellschaftliche Verhältnisse ihnen anscheinend keine Wahl mehr lassen!
Stille
3.Kerze:
„Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein,“ dichtet Klepper am Ende der ersten Strophe. Galt diese Hoffnung letztendlich für ihn selbst und seine Familie nicht, weil er für sich alternativlos zusammen mit seiner Familie den Suizid wählte? Es steht uns nicht zu, über Menschen zu urteilen, die scheinbar ausweglos ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Und für Klepper und seine Familie wäre wahrscheinlich, so wie sich die grausame Geschichte Deutschlands jener Zeit zeigte, auch keine Zukunft mehr gewesen, außer der Deportation ins Vernichtungslager. Zwar war Klepper aus seinem christlichen Glauben davon überzeugt, dass das Leben von Gott geschenkt, auch nur durch ihn beendet werden dürfe, aber doch kommt er im Laufe der Jahre immer mehr zu der Erkenntnis, dass Gottes Vergebungsbereitschaft größer als alles andere ist. So beschäftigt er sich in seinen Tagebucheinträgen vor allem seiner letzten Lebensjahre immer wieder mit der Frage, ob er in ausweglose Lage seinem Leben selbst ein Ende setzen darf. Die Tagebucheinträge Kleppers zeugen von seiner großen Sorge und Angst, die ihn und die Familie täglich umgeben, aber sie sprechen auch von seinem Vertrauen, dass Gott ein gnädiger Richter sein wird, egal wie ihr Leben endet.
Von diesem Vertrauen spricht auch die zweite Strophe des Liedes:
- (!) Strophe einspielen
Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.
Beten wir für alle Menschen, die für sich gefühlt oder auch tatsächlich schuldig vor Gott und den Menschen geworden sind!
Stille
4.Kerze und 3. (!) Strophe einspielen:
Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.
„Macht Euch zum Stalle auf, ihr sollt das Heil dort finden“ dichtet Jochen Klepper. Gegen das Heil, das in der damaligen Zeit bis hinein in den deutschen Gruß im Heil des Führers gesehen wurde, setzt Klepper das Heil der Menschen durch das Kind im Stalle. Die Weihnachtsbotschaft unseres Glaubens! Doch warum gilt dieses Lied in unseren heutigen christlichen Gesangbüchern zwar als ein Advents- aber nicht als ein Weihnachtslied? Beginnt hier schon das, was wir in der Gegenwart immer mehr erleben, dass die Adventszeit von den weihnachtlichen Tagen kaum noch unterschieden wird, dass der Advent als Zeit der Vorbereitung verloren gegangen ist und von dem wohligen Weihnachtsgefühl überdeckt wird? Bereits vor mehr als 70 Jahren scheint dies keine unbekannte Situation gewesen zu sein. So stellt Jochen Klepper in seinem Tagebuch im Jahre 1937 am Vorabend des ersten Advents bereits fest: "Den Adventsschmuck des Hauses und die guten Dinge, die an den Advents-Abenden schon auftauchen, wollen wir recht einfach halten. Denn es ist Sitte geworden, fast alles vom Fest schon vorwegzunehmen; und dem möchten wir uns ganz bewusst entgegenstellen." Und doch haben wir Christen der Nachkriegszeit seinen Weihnachtsgesang zum Adventslied erhoben. Vielleicht, weil es trotz der weihnachtlichen Botschaft, so sehr unsere Stimmung des Advents trifft. Den Kerzenschein, die Dunkelheit und dann das Licht des Adventskranzes. Das ganze Lied spricht von der Dunkelheit und dem Licht und doch wird es nie richtig hell oder gar Tag. Sicherlich passt es in die politischen Umstände jener Zeit, in denen das Dunkel schon im Braun der nationalsozialistischen Uniformen vorherrscht und in denen das Aufgehen des hellen Lichtes aus christlicher Perspektive weit entfernt scheint.
Beten wir für die Dunkelheiten unserer Tage und vor allem für die Menschen in der Ukraine und den vielen anderen Kriegsgebieten dieser Erde, die die Dunkelheit persönlich erleben müssen!
Stille
- Kerze und 4. (!) Strophe (ausklingen lassen)
Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.
Nein, Klepper will es trotz der düsteren Perspektive nicht bei der Verzweiflung lassen. Er lebt aus dem Vertrauen, dass Gott sich in das Dunkel der Welt hineingibt. Gerade das ist ja der Trost des Christentums: Unser großer Gott macht sich klein und begibt sich in die Alltäglichkeiten, in die Dunkelheiten des menschlichen Lebens. Dann lässt sich vielleicht auch in unserer Zeit manches Dunkel, manche Ungerechtigkeit, manche Verzweiflung besser ertragen – wenn auch nicht für richtig und gut befunden sein.
Nein, wir wollen die Kriege, Verfolgungen und Ausbeutungen unserer Zeit nicht beschönigen. Aber wir dürfen Sie dem Licht Gottes hinhalten. Dann gilt, was Jochen Klepper dichtet: ‚Beglänzt von seinem Lichte, hält Euch kein Dunkel mehr; von Gottes Angesichte kam Euch die Rettung her!‘
Beten wir um Hoffnungsperspektiven für diese unfriedliche Welt.
Stille - Kerze und 5. (!) Strophe:
(Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.)….
Interessant, dass die aktuelle Musikerin hier mit dem Lied aufhört. Sie lässt Platz für Freiraum!
Heißt es doch im Text noch weiter:
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht."
„Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.“ In diesem Vertrauen auf die Barmherzigkeit des Sohnes Gottes muss Jochen Klepper mit seiner Familie in den Tod gegangen sein. Sein letzter Tagebucheintrag zeugt davon, wenn er schreibt: „Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“ Aus diesen Worten spricht die Überzeugung, dass Gott nicht als strenger und unbarmherziger Richter den Menschen entgegen kommt, sondern ihnen seine Barmherzigkeit anbietet. Dieses Vertrauen nährt sich aus dem Johannesevangelium, wenn über das Gericht Gottes gesagt wird: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ [Joh 3, 17 ]. In diesem Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes endet unser Adventslied - endet auch das Leben der Familie Klepper.
Ein Vertrauen, liebe Geschwister im christlichen Glauben, das in diesen dunklen Dezembertagen vielleicht auch uns Licht geben kann. Denn mit der Geburt Jesu Christi im Stall von Bethlehem gilt, „die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern!“
- Kerze
Vater-unser-Gebet
Gemeinsam gesungen: Gl. 220 – Die Nacht ist vorgedrungen
Sengesgebet