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Frie­dens­ge­bet 25. Sep­tem­ber

Ökumenisches Montagsgebet am Montag, dem 25. September 2023 als PDF zum Download von Ursula Budde  

Herzlich willkommen zu unserem wöchentlichen ökumenischen Gebet um den Frieden in der Welt. Ich begrüße Sie und euch hier vor Ort und alle, die mit uns im Geiste und im Gebet verbunden sind.
Wir sind hier zusammengekommen im
Namen des Vaters, für uns Vater und Mutter,
im Namen Jesu, unser Bruder und Heiland,
und im Namen der Heiligen Geistkraft. Amen

Für mein heutiges Gebet habe ich das Thema „Welttag des Migranten und des Flüchtlings“ gewählt.
Es ist der 109. Welttag, der weltweit am 24.09., also gestern für dieses Jahr 2023, zelebriert wird. In Deutschland ist er Bestandteil der Interkulturellen Woche, die vom 24.09. bis zum 01. Oktober 2023 begangen wird.

Wir zünden die 1. Kerze an.
An den letzten Wochenenden und auch jeden Tag ist das Thema Flüchtlinge mit großen Schlagzeilen in der Zeitung und auch Thema in den Nachrichten an vorderer Stelle. Da in absehbarer Zeit Wahlen in 2 Bundesländern anstehen und die Kandidaten für die Europawahlen im nächsten Jahr ausgewählt werden, ist dieses Thema besonders brisant. Ich zitiere hier einige, von mir willkürlich ausgewählte Schlagzeilen aus den Zeitungen der letzten Tage, die die Situation und großen Probleme in vielfältiger Weise aufzeigen:
„3,2 Mio Flüchtlinge in Deutschland, etwa 1 Mio aus der Ukraine!“ „So viele Flüchtlinge in Deutschland wie seit 60 Jahren nicht mehr!“ „Wir brauchen eine neue Obergrenze“ – und Markus Söder: „Eine Integrationsgrenze!“ „EU will die illegale Migration mit 10-Punkte Plan bekämpfen!“ „Krisendiplomatie in der Flüchtlingskrise“, „Abschiebungen und Obergrenzen“, „So geht es nicht weiter!“ „Mehr Länder zu sicheren Herkunftsländern erklären“ „Städte und Gemeinden befürchten Finanzkollaps!“ „Es gibt kaum noch Plätze in den Unterkünften!“ „Die Kapazitäten sind langsam erschöpft!“ „Zwei Jahre auf einen Sprachkurs gewartet.“ „Die Leistungen für die Geflohenen überfordern unser Sozialsystem.“
Guter und ewiger Gott, du siehst unsere Not! Die Probleme im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sind so umfangreich, tiefgreifend und schwierig, dass wir ratlos davorstehen.
Lass die Verantwortlichen in einem überparteilichen Pakt vernünftige Lösungen finden.

Stille und dann singen wir: GL 157; Herr erbarme dich, erbarme dich, Herr, erbarme dich, …

Wir zünden die 2. Kerze an
In den letzten Tagen hat sich der pensionierte Bundespräsident Joachim Gauck zu Wort gemeldet und seine Worte wiederholt, die sich auf die Flüchtlingskrise beziehen: „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“ Wir brauchen gründliche Analysen und eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir eine humane Aufnahmepolitik und eine gesellschaftliche Aufnahmebereitschaft auch in Zukunft sichern können. Und uns dabei nicht von Ängsten und Träumereien leiten lassen. Die Herausforderungen sind erheblich. Sie zu bewältigen wird Geld, Zeit, Verständnis, Geduld und vieles, vieles mehr fordern. Es ist eine Kraftanstrengung, wie wir sie bisher noch nicht meistern mussten. Das zentrale Dilemma unserer Tage lässt sich nicht einfach vermeiden oder wegdiskutieren; dem humanen Wollen zur möglichst unbegrenzten Hilfe stehen am Ende doch immer begrenzte Möglichkeiten gegenüber. Und jeder von uns kennt das Sprichwort und das Gefühl: es wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass wir uns auf den Kipp-Punkt zubewegen, vielleicht schon darüber hinweg sind.
Guter und ewiger Gott, gib uns die Einsicht, dass dieses Dilemma nur zu lösen ist durch eine enorme Kraftanstrengung. Gib uns diese Kraft, dass sich alle verantwortungsbewusst an der Debatte beteiligen und sich nicht gegenseitig bekämpfen, sondern in einem konstruktiven Dialog begegnen. Gib uns das Mitgefühl, das uns nicht schwächt, sondern unseren Verstand und unsere politische Ratio aktiviert.

Wir zünden die 3. Kerze an
Und was sagt uns die Bibel? Das Alte und das Neue Testament erzählen viele Geschichten der Verfolgung, der Flucht und des Aufbruchs in die Fremde. Abraham ist wegen einer Hungersnot nach Ägypten geflohen (Gen 12,10); er war also nach heutigen Maßstäben ein Wirtschaftsflüchtling. Abrahams Sohn Isaak floh vor einer Hungersnot ins Philisterland (Gen 26,1-6), wo er zunächst freundlich aufgenommen wurde, dann aber musste er wegziehen, da er zu viel Besitz angehäuft hatte und mächtiger als die Einheimischen geworden war. Moses floh nach dem Mord an einem Aufseher des Pharaos nach Midian und gründete dort eine Familie. Selbst Jesus floh vor Herodes als Säugling in den Armen seiner Eltern Maria und Josef nach Ägypten, wie es in der Weihnachtsgeschichte beschrieben ist. Als die Gefahr vorüber war, also Herodes tot war, gingen sie aus dem Asyl zurück nach Nazareth in Galiläa.
Die Bibel beinhaltet viele Geschichten von Menschen auf der Flucht, berichtet von offenen Gesellschaften, die sie empfingen, aber auch davon, wie Fremde wieder weggeschickt wurden. Das Flüchtling-Sein zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel.
Eine bekannte, viel zitierte Stelle aus dem Matthäusevangelium (Mt 25,34-40) beschreibt, wie wir Menschen mit den Schwachen und Ausgestoßenen der Gesellschaft umgehen sollen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Und im Vers Mt 25,41 steht sinngemäß geschrieben: wer die Not der Flüchtenden ignoriert, gar ausnutzt, für den ist das ewige Feuer bereitet.

Wir zünden die 4. Kerze an
Das Thema der diesjährigen Interkulturellen Woche 2023 lautet: Neue Räume. Wir sind immer wieder gefragt, ob wir Mauern um uns herum errichten oder Barrieren abbauen und neue Räume entstehen lassen. Wörtlich heißt es: „Niemand hat das Recht, einem anderen Menschen den Raum zu einem Leben in Würde streitig zu machen.“ Dieser Leitsatz steht in dem gemeinsamen Wort der Bischöfe für diese interkulturelle Woche. Bischof Georg Bätzing, Präses Annette Kurschus und der orthodoxe Metropolit Augoustinos appellieren an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, das Recht auf Asyl zu verteidigen, faire Verfahren zu garantieren und Menschen in Not zu ihrem Recht zu verhelfen; das schließt auch eine würdige und sichere Unterbringung ein. Es braucht v.a.D. vor Ort Räume der Begegnung in Schulen, Gemeinden Betrieben und Vereinen und den christlichen Kirchen. Dadurch zeigen wir, dass das friedliche Zusammenleben der Vielen nicht nur möglich, sondern auch eine Bereicherung darstellt. Es ist auch an der Zeit, dass die Menschen, die zum Teil seit Jahren in diesem Land leben, an der Fortentwicklung unseres Gemeinwesens mitwirken und mitbestimmen dürfen. Und nun die abschließenden Forderungen des gemeinsamen Wortes der Kirchen als Fürbitten formuliert:
Guter und ewiger Gott, lass uns die vor unserer Gesellschaft liegenden Aufgaben annehmen und anpacken und neue Räume schaffen. Gib uns die Kraft, dass wir unser Zusammenleben in Freiheit und Demokratie festigen und gestalten, auch wenn die Rahmenbedingungen sich immer wieder ändern und an ihre Grenzen kommen.

Wir zünden die 5. Kerze an
Auch der Papst hat sich zu diesem Welttag geäußert und einen weiteren - wie ich finde - bemerkenswerten Aspekt – seine Zukunftsmission - in die Diskussion eingebracht. So steht in seiner Botschaft wörtlich: „Migration sollte immer eine freie Entscheidung sein, aber in vielen Fällen ist sie das auch heute noch nicht! Wir müssen uns bemühen, den wirtschaftlichen Kolonialismus, den Raub der Ressourcen anderer und die Zerstörung unseres gemeinsamen Hauses zu beenden.“ Und weiter: „Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung der einzelnen Länder und der internationalen Gemeinschaft damit allen das Recht garantiert werden kann, nicht auswandern zu müssen.“ Dieses Recht, in Frieden und Würde im eigenen Land zu leben, ist noch nicht kodifiziert, ist aber ein grundlegender Bestandteil für ein Gemeinwohl über Grenzen hinaus. Das hängt davon ab, ob es gelingt, unter den Völkern die Fähigkeit zum gegenseitigen Teilen zu erwecken. Solange dieses Recht nicht gewährleistet ist, - und bis dahin ist es noch ein langer Weg – werden noch viele auf der Suche nach einem besseren Leben auswandern müssen.

Wir zünden die 6. Kerze an
Ich bitte Sie, dass wir gemeinsam das Gebet des Papstes sprechen, das er für diesen Welttag formuliert und veröffentlicht hat:
Gebet des Papstes – auf der ausliegenden Postkarte
Gott, allmächtiger Vater,
gib uns die Gnade, uns tatkräftig einzusetzen
für Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden,
damit allen deinen Kindern
die Freiheit gewährleistet ist,
sich für die Migration oder das Bleiben zu entscheiden.
Gib uns den Mut,
alle Gräuel in unserer Welt klar zu benennen,
und gegen jede Ungerechtigkeit zu kämpfen,
welche die Schönheit deiner Geschöpfe und
die Harmonie unseres gemeinsamen Hauses verunstaltet.
Stärke uns mit der Kraft deines Geistes,
damit wir gegenüber jedem Migranten,
den du uns begegnen lässt,
deine Zärtlichkeit an den Tag legen,
und in den Herzen und in jedem Umfeld
die Kultur der Begegnung und der Fürsorge verbreiten.

Und jetzt ist Gelegenheit in Stille die eigenen Anliegen vor Gott zu tragen.

Wir zünden die 7. Kerze an
In diesem letzten, etwas ausführlicherem Teil blicken wir auf die Situation hier in unserer Stadt Billerbeck in einem Überblick. Ich greife auf die Informationen zurück, die ich von Ingeborg Hoene in einem längeren Gespräch erhalten habe und meinen eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen.
Laut Auskunft der Stadt Billerbeck gibt es zwischen 550 und 600 Flüchtlinge hier im Ort, die Zahl ändert sich ständig und kann nicht genau angegeben werden. Davon sind 160 Ukrainer, die anderen sind Afghanen und Syrer, dabei ca. 40 junge Männer, es sind Familien dabei und Einzelpersonen, die auf Familienzusammenführung warten. Diese Flüchtlinge sind in 17 städtischen Unterkünften untergebracht, die alle voll belegt sind, z.B. die Häuser in der Osterwicker Straße, Mühlenstraße, Darfelderstr., Lilienbeck, das ehemalige Homoet-Hotel mit 30 Personen, im Friedhöfer Kamp ein ehemaliges Bürogebäude mit bis zu 4 Männern auf einem Zimmer. Ein großes Problem ist die Wohnungsnot für Familien mit mehreren Kindern, die mit kleinen Wohnungen mit 2-3 Zimmern auskommen müssen.
Die dezentrale Unterbringung ist in Billerbeck bisher gelungen und es mussten keine Turnhallen o.ä. wie z.B. in Nottuln umgebaut werden als Flüchtlingsunterkünfte. Es gibt auch keine Feindseligkeiten in der Stadt, bisher ist nichts Gravierendes vorgefallen; es existiert ein eher positiver Geist. Wir sehen die Flüchtlinge, begegnen ihnen freundlich in der Stadt, beim Einkaufen u.a. aber wir sehen sie nicht im Sinne von kennen oder sie als Einzelpersonen bewusst wahrnehmen.
Wer ist offiziell für die Flüchtlinge hier vor Ort zuständig? Bei der Stadt gibt es einen Beauftragten, die Hauptarbeit hat die Stadt an den freien Träger des DRK ausgegliedert. Zwei Frauen von der DRK teilen sich eine Stelle und bieten 2-mal pro Woche zu zweit im einLaden Sprechstunden an. Man merkt das dann durch die langen Schlangen vor der Türe. Der einLaden ist in der Zwischenzeit zu einem Anlaufpunkt für vielfältige Hilfe geworden. Besonders gut können die mittlerweile eingebürgerten Menschen helfen, die in der jeweiligen Muttersprache mit den Flüchtlingen sprechen können, z.B. in Farsi. Viele von ihnen arbeiten und sind nicht mehr vom Sozialamt abhängig. Flankierend hilft die Gruppe „Hiergeblieben“, der etwa 10 Personen angehören; einige sind auch jetzt hier unter uns. Sie halten Kontakt zu einzelnen Personen und Familien und erleben immer wieder die große Gastfreundschaft und die Einstellung in den Familien, für alte und kranke Angehörige selbst bis zum Ende zu sorgen.
Große Probleme werden noch auf alle zukommen, wenn ab nächstem Jahr die Mittel um 38% gekürzt werden, der Bedarf aber um 78% steigt. Dann wird es nur noch eine Mangelverwaltung geben und als Folge z.B. werden die Wartezeiten und Schlangen vor den Ämtern noch länger.
Nach diesen Ausführungen stelle ich für mich fest, dass das Zusammenleben noch in einigen Punkten sicher zu verbessern ist, aber insgesamt eine friedliche Grundstimmung herrscht, dafür sollten wir dankbar sein. Ein besonderes Highlight war das Event am vorigen Samstagabend mit den Konzerten vor dem Dom; Jung und Alt, Deutsche und Flüchtlinge feierten gemeinsam ausgelassen und friedlich. Dies erlebten jedenfalls ukrainische junge Leute so.
Guter und ewiger Gott, wir danken dir für Menschen, die sich in deinem Sinne für Frieden, Gerechtigkeit, Bildung und Weiterentwicklung einsetzen. Sie sind uns ein Vorbild und eine Ermutigung. Ein Leben in Freiheit und Würde, ohne Hunger und Armut, erbitten wir für uns alle.
Nun wollen wir gemeinsam das Gebet sprechen, das uns mit der ganzen Welt und untereinander verbindet und das du uns gelehrt hast.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen

Segensgebet:
Der Herr segne und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und schenke allen seinen Frieden.
Amen.
Lied: GL 475 Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten. Denn du unser Gott alleine.