Newsletter Kontakt Spenden

Friedensgebet 22.08.2022

Ökumenisches Montagsgebet am Montag, dem 22. August 2022 als PDF zum Download von Radin Saadatnia & Heike Seidel-Hölscher

Guten Abend!
Schön, dass Sie alle gekommen sind.
Heike und ich freuen uns darauf unsere Gedanken mit Ihnen und Euch zu teilen.

Auch von mir ein herzliches Willkommen euch und Ihnen allen. Wir sind im Namen Gottes zusammengekommen, um Jesus Christus zu feiern und Gottes guten Geist miteinander zu teilen.
So beginnen wir im Namen des Vaters,
des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Die erste Kerze wird angezündet.
Danke, Ashot, dass du diese Aufgabe übernimmst.

Und Radin, jetzt sind ja sechseinhalb Wochen Sommerferien vorbei. Hast du dich gefreut, dass die Schule wieder begonnen hat?
Ja. Die Ferien waren echt schön, aber jetzt ist es toll, die anderen Kinder aus meiner Klasse wieder zu treffen. Ich bin jetzt schon im dritten Schuljahr.
Das stimmt wohl: Ferien sind schön und auch wichtig. Aber es ist auch toll wieder zur Schule zu gehen um zu lernen. Welch ein Glück, dass es in Deutschland die Schulpflicht gibt, die es allen Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und achtzehn Jahren möglich macht zur Schule zu gehen.
In vielen Ländern dieser Welt dürfen die Kinder keine Schule besuchen.
Wer keine Schule besuchen kann, lernt nicht lesen schreiben und rechnen.

Ja, das stimmt wohl. Viele Kinder dieser Welt müssen schon arbeiten. Da wo die Armut der Menschen besonders groß ist, ist der Schulbesuch weder selbstverständlich, noch von den Reichen gewünscht.
Das ist zum Beispiel in Afrika, südlich der Sahara so.
Aber auch in Ländern wie Nepal und Bangladesch.
Kinder müssen dort für den Lebensunterhalt der Familie arbeiten. Oft viele Stunden unter ungesunden Bedingungen.
Abends sind sie nur noch müde
und fallen auf ihre Matten und schlafen schnell ein.

Sie haben schlichtweg keine Zeit und Kraft und Möglichkeit für Bildung. Für die Menschen, die auf dem Land wohne fehlen die Schulen ganz,
und da wo es Schulen gibt,
sind die Klassen mit bis zu 100 Kindern völlig überfüllt.
Besonders schlimm ist es für Mädchen.

Ja, zu ihrer Tradition gehört es im Haus zu arbeiten und zu heiraten.
Zwei Drittel der Menschen, die nicht lesen und schreiben können, sind Mädchen und Frauen.
Gott, wir bitten dich für alle Kinder und Erwachsenen, die unter dieser Last leiden.

Für alle, die anstelle eines Stiftes in ihrer Hand mit ihren kleinen Händen Steine schleppen müssen, um ein wenig Geld zu verdienen. Sie arbeiten bis zur Erschöpfung.
Und trotzdem reicht das Geld nicht für alle, um satt zu werden.
Oft gehen diese Kinder mit einem leeren und knurrenden Magen in ihr Bett.

Gott, wir bitten dich für alle, die unter der Überheblichkeit, Gier und Gewissenslosigkeit anderer leiden. Steh diesen Menschenkindern bei und setze dem Tun der Mächtigen ein Ende. Sei Du den Kindern und ihren Familien gnädig.

Die zweite Kerze wird angezündet.

Also: Wer die Möglichkeit hat, zur Schule zu gehen, um viel zu lernen, hat später die Chance auf ein besseres Leben.
Sie haben bessere Berufsaussichten und verdienen dadurch mehr Geld, um sich und ihre Familien zu ernähren.
Und sie lernen und verstehen auch, wie man gesund bleibt und warum das so wichtig ist. Wer lesen und schreiben kann ist ganz klar im Vorteil.
Genau. So einfach und so wichtig ist das. Zum Glück gibt es engagierte Menschen, die viele Ideen haben und viele Projekte planen und umsetzen, um neue Schulen zu bauen. Das kostet viel Zeit, viel Geld und viel Kraft.
Schenkt aber auch viel Hoffnung!
Gott, schenke du den Menschen Ideen, wie sie es möglich machen können, dass Jungen und Mädchen in allen Ländern dieser Erde zur Schule zu gehen.
Dass auch sie die Möglichkeit haben Buchstaben und Zahlen zu lernen, Wörter zu schreiben und zu rechnen.
Hilf Möglichkeiten zu finden, dass die Wege zu den Schulen nicht zu lang sind und die Steine, die in den Weg gelegt werden nicht zu groß sind. Schenke den Eltern die Einsicht, dass allen Traditionen zum Trotz Jungen und Mädchen gleichberechtigt lernen dürfen.

Zünde bitte die dritte Kerze an. Danke.

Hier in Billerbeck, in deiner Nachbarschaft, leben Menschen aus Afghanistan.
Ich weiß. Die Menschen in Afghanistan leiden sehr unter der Taliban. Viele Familien wollen das Land verlassen.
Aber das ist nicht so einfach…

Ja, das Land zu verlassen ist sehr schwierig. Aber dort zu leben ist auch sehr schwierig. In Afghanistan wird es immer schlimmer: Viele Kinder kennen das Leben in Frieden nicht.
Viele Kinder kennen es nicht, wie es ist zur Schule zu gehen. Die Taliban hat den Mädchen verboten zur Schule zu gehen.
Aber viele Kinder sind sehr mutig: Sie gehen heimlich zur Schule.
Das heißt: Die Schule ist an einem geheimen Ort? Niemand darf erzählen, dass sie zur Schule gehen?
Niemand. Die LehrerInnen nicht und die SchülerInnen nichtI Heimlich wird ganz leise weitererzählt, wo man etwas lernen kann. Das klingt wie ein Abenteuer- ist in Wirklichkeit aber sehr gefährlich.
Die LehrerInnen und SchülerInnen sind sehr mutig! Was passiert, wenn sie erwischt werden?
Die Taliban wird diese mutigen Menschen bestrafen. Viele LehrerInnen haben Angst, dass sie in solch einem Fall getötet werden. Letztendlich weiß niemand was wirklich passieren wird.
Aber Schule und Lernen soll doch Spaß machen. Wie können die SchülerInnen lernen, wenn sie Angst haben und voller Sorge sind?
Das ist schon sehr schwierig, Radin, weil die Angst ja auf dem Schulweg beginnt. Die Angst entdeckt zu werden, sitzt während des Unterrichts mit im Schulraum und manche Kinder weinen. Und die Angst geht wieder mit, bis die Kinder endlich wieder zuhause sind.
So zu lernen stelle ich mir sehr schwer vor!
Gott, wir bitten dich für diese mutigen Menschen, die sich jeden Tag auf` s Neue der Gefahr aussetzen, wegen ihrer Freude am Lernen bestraft zu werden.
Schenke du den Lehrerinnen und Schülerinnen jeden Tag neu die Kraft diesen schweren Weg weiter zu gehen.
Wir bitten dich von ganzem Herzen: Lass sie nicht den Mut verlieren an dieser Idee und ihrem Tun festzuhalten. Nimm ihnen die Angst und sende einer Jeden einen Engel, der sie in dieser Gefahr schützt.
Sei auch bei ihren Eltern, die sich jeden Morgen sorgen, wenn ihre Kinder zur Schule gehen und den Vormittag über in Unruhe sind und erst aufatmen, wenn sie ihre Mädchen wieder in die Arme schließen können.

Die vierte Kerze wird angezündet.

Du kennst doch sicherlich auch syrische Kinder auf eurer Schule.
Ja klar. Sie leben schon seit ein paar Jahren in Deutschland.
Ja, viele Menschen sind 2015 – also vor sieben Jahren zu uns gekommen.
Sie sind in verschiedene Länder geflohen. Auch in die Nachbarländer Syriens: In die Türkei, in den Libanon, in den Irak
Und auch nach Jordanien und Ägypten. 1,4 Millionen syrische Kinder leben als Flüchtlinge in diesen Nachbarländern. Von diesen Kindern geht aber nur die Hälfte in die Schule.
Das heißt nur jedes zweite Kind darf in der Schule lernen? Warum?
Weil viele der geflüchteten Syrer Kurden sind. Der türkische Präsident Erdogan hasst die Kurden, weil sie nicht nach seinen Vorstellungen leben wollen. Als ein Druckmittel verbietet er den kurdischen Kindern in der Türkei in die Schule zu gehen.
Ich dachte es ist ein Menschenrecht zur Schule zu gehen…
Ja, aber nicht alle Politiker halten sich daran dieses Menschenrecht auszuüben. Bei uns in Billerbeck leben Familien, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind, und erst einmal in der Türkei gelebt haben.
Sie lebten drei Jahre genau gegenüber einer Schule und konnten jeden Tag beobachten, wie die türkischen Kinder zur Schule gingen. Und sie mussten zuhause bleiben in ihren kleinen Räumen.
Und was machten die kurdischen Kinder?
Sie übten ein bisschen lesen und schreiben. Aber das war schwierig, weil sie keine Schulbücher hatten. Manchmal halfen sie ihrem Papa beim Nähen.
Gott, schenke du den verantwortlichen Politikern die Einsicht, dass lesen, schreiben und rechnen lernen kein politisches Druckmittel sein darf.
Lesen, schreiben und rechnen lernen ist ein Kinderrecht.
Wie sollen die Kinder selbstständig und selbstbewusst werden, wenn ihnen diese Welt verschlossen bleibt? Soviel Wissenswertes, Spannendes und Interessantes können sie dann nicht für sich und ihr Leben nutzen.

Die fünfte Kerze wird angezündet.

Jetzt haben wir viel von Schulkindern in andern Ländern gehört. Sollen wir mal erzählen, wie es bei uns in Billerbeck ist?
Unbedingt machen wir das.
In meiner Klasse ist jetzt ein neuer Junge. Er kommt aus der Ukraine. In meiner Nachbarklasse sind zwei Mädchen aus der Ukraine. An jedem Morgen haben sie DAZ Unterricht.
DAZ? Ist das eine Art Geheimsprache?
Nein! DAZ – also De-A-Zett geschrieben- bedeutet „Deutsch als Zweitsprache“. In den DAZ Unterricht gehen alle Kinder die noch nicht so gut deutsch sprechen, weil ihre Muttersprache ukrainisch, farsi, kurdisch oder wie auch immer ist. Und dann kommen die Kinder wieder zu uns in den Unterricht. Mein neuer Mitschüler ist der Beste in Mathe. Und in der Pause spielen wir ja sowieso zusammen.
Das klingt sehr gut. Aber nicht für alle geflüchteten Kinder ist es einfach in Mathe mitzukommen.
Wieso?
Ich habe dir gerade von der kurdischen Familie erzählt: Eine ihrer Töchter war acht Jahre als sie nach Deutschland kamen. Sie war noch nie in der Schule gewesen. Weil sie aber acht Jahre war kam sie hier direkt in die zweite Klasse. Bis sie im Unterricht deutsch verstanden hat, war sie schon in der dritten Klasse. Die anderen Kinder fingen schon an das 1X 1 zu lernen, da konnte sie nur einfache Plus Aufgaben lösen.
Oje, das war ein schwerer Start!
Ja, das war er. Aber wir haben viele tolle und kreative Lehrer und LehrerInnen, und MitarbeiterInnen in der OGS die viel Wissen und Ideen haben um den Kindern zu helfen.
Ja, das finde ich auch. Meine Mama arbeitet auch in der OGS Und unterstützt die Kinder beim Mathe lernen.
Siehst du- es läuft… … und noch ein Beispiel kann ich dir nennen: Ein syrisches Mädchen kannte noch keine deutschen Buchstaben. Da hat ihre Lehrerin ihr mit dem Zeigefinger immer die Buchstaben auf den Rücken gemalt.
So hat sie schreiben gelernt.
Gott, schenke den Kindern jeden Tag neuen Mut und Freude, wenn sie zur Schule gehen. Auch wenn sie noch kein deutsch sprechen und wir oft viel zu schnell sprechen, so dass sie uns nur schwer verstehen können.
Gott, gib du ihren Lehrern jeden Tag neue Motivation sich dieser schwierigen Aufgabe zu stellen
den Kindern gerecht zu werden: Den Schnellen, die fordern. Den Langsamen, die gefördert werden müssen. Den Kindern, die eigentlich schneller lernen könnten, aber wegen den mangelnden Deutschkenntnissen langsamer unterwegs sind.

Die sechste Kerze wird angezündet.

Bei den geflüchteten Menschen, die bei uns Heimat suchen, sind auch viele Erwachsene, die noch viel lernen.
Ja, meine Mama und mein Papa haben auch deutsch gelernt. Und Mama hat eine Weiterbildung zur… hm … das ist ein schweres Wort…
Deine Mama ist jetzt Integrationsbegleiterin und kann im Kindergarten oder auch in der Schule und der OGS arbeiten.
Ja die beiden haben schon viel geschafft!
Viele Menschen, die zu uns kommen, wollen ganz schnell die deutsche Sprache lernen. Auch die Erwachsenen.
Aber ihre Begeisterung wird erstmal ausgebremst.
Wie denn?
Zum Einen werden gar nicht so viele Sprachkurse angeboten, wie wir bräuchten. Zum Anderen müssen die Menschen hier erst registriert werden.
Und das dauert…
Menschen, die Mitte März nach Billerbeck gekommen sind, durften erst im Juli zur Ausländerbehörde kommen.
Dort werden jeden Tag acht bis zehn Menschen registriert. Für den gesamten Kreis Coesfeld.
Das dauert ja Wochen….
Manchmal hat man aber auch Glück im Unglück.
Wieso?
Eine Billerbeckerin, hat sich bei uns - also bei Hiergeblieben- gemeldet Und lernt und übt mit den Zugezogenen Billerbeckern die deutsche Sprache. Drei bis fünfmal in der Woche.
Respekt!
Gott, schenke du den Menschen Mut und Kraft und Geduld für den Neuanfang, der schwer ist- auch wenn Hilfe da ist.
Gott,
wir danken dir für die Menschen, die sich freiwillig und mit viel Herzblut engagieren und so unseren Neu-Billerbeckern Mut machen, und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind.

Die siebte Kerze wird angezündet.

Gott, wir danken dir für alles Gute, dass du uns schenkst.

Wir danken Gott in der Stille. Oder teilen Sie uns ihre Gedanken, Zweifel und Bitten mit. Das Mikrofon steht für Ihre Anliegen bereit.
Nur Mut!
------------S T i L L E ------------------------------------------------------------------
Wir beten gemeinsam: Vater unser im Himmel…

Wir stellen uns unter den Segen Gottes.

GOTT

Licht und Odem
Brot und Brunnen allen Lebens

Er segne Dich

und das, was du an diesem Tag denkst,
tust und bewirkst:
Dass daraus etwas Gutes und Heilvolles entsteht.

und Er behüte dich

und die Menschen, die du liebst,
dass auch sie gesund bleiben an Leib und Seele.

GOTT

lasse sein Angesicht leuchten über Dir,
dass du in der Stille des Abends
dein Leben im Licht der Wahrheit bedenkst
und dir Versäumtes eingestehen kannst

Er sei dir gnädig

dass du befreit wirst von Angst, Schmerz und Schuld

GOTT hebe sein Angesicht auf dich

dass keiner deiner Träume
und nicht eine deiner Hoffnungen verloren gehe

Er gebe dir Frieden

dass du noch ein Wort der Liebe findest,
bevor die Nacht beginnt. Amen.