Friedensgebet 17.August
Montagsgebet am 17. August 2020 als PDF.
Gemeinsames Psalmgebet: Psalm 111 (GL 60)
Barmherzigkeit hat in den unterschiedlichen Zeiten immer auch eine unterschiedliche Ausprägung gehabt. In einer Welt ohne Bestattungsinstitute war es ein Werk der Barmherzigkeit, Tote zu begraben. Aus einem Werk der Barmherzigkeit wurde später dann eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit. Inzwischen –angesichts der hohen Preise für eine Beerdigung –ist es schon wieder ein Werk der Barmherzigkeit, auch Hartz-IV-Empfängern ein würdiges und erschwingliches Begräbnis zu ermöglichen.
Ohne Zweifel bleiben die klassischen sieben Werke der Barmherzigkeit zeitlos in Geltung: etwa Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Tote bestatten, oder die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit wie belehren, raten, trösten und zurechtweisen.
Doch die Gestalt der Barmherzigkeit wandelt sich. Wie könnte Barmherzigkeit heute aussehen, in einer Gesellschaft, in der soziale Absicherung und Fürsorge weithin vom Staat garantiert werden?
Der frühere Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, hat vor einigen Jahre neue Formulierung für die sieben Werken der Barmherzigkeit für heute vorgeschlagen. Von diesen Formulierungen wollen wir uns heute Abend in unserem Gebet um den Frieden -und eben um Barmherzigkeit- anregen und leiten lassen:
1. Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu.
Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Menschen an den Rand gedrückt werden: die Arbeitslosen, die Ungeborenen, die psychisch Kranken, die Ausländer usw. Mobbing, das meint anpöbeln, angreifen, über jemandenherfallen, ihn schikanieren, ausgrenzen. In Deutschland schätzt man die momentane Zahl der Mobbing betroffenen auf über 1.000.000 Erwerbstätige (2,7 %). Auch in Schulen ist das Phänomen weit verbreitet. Hartz-IV-Empfänger, Ausländer, Kranke, Behinderte, Alte sehen sich derartigen Angriffen ausgesetzt. Und schon vor der Geburt werden Menschen ausgegrenzt: Jährlich werden rund 120.000 Kinder abgetrieben.
Das Signal, auf welche Weise auch immer ausgesendet: "Du bist kein Außenseiter!" -"Du gehörst zu uns!" –z. B. auch zu unserer Pfarrgemeinde –das ist ein sehr aktuelles Werk der Barmherzigkeit.Jesus sah Zachäus, den Zöllner. Er sagte ihm: „Komm! Denn ichmuss heute in deinem Haus zu Gast sein.“ Zachäusnahm Jesus freudig bei sich auf.Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten:„Er ist bei einem Sünder eingekehrt.“Jesus aber sagte zu Zachäus: „Heute ist diesem Hausdas Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann einSohn Abrahams ist. Denn der Men-schensohn ist gekommen,um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“
Gott, unser Vater.
Bedrückt vom Elend unserer Zeit,
kommen wir auch heute Abend zu dir.
Sieh auf die Not und Hilflosigkeit so vieler Menschen.
Lass sie an ihrem Schicksal nicht zerbrechen.
Stärke unter uns
das Bewusstsein der Verantwortung für einander,
damit wir anfangen, geschwisterlich zu teilen und einander beizustehen. Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn.
2. Ich höre dir zu.
Eine oft gehörte und geäußerte Bitte lautet: "Hab doch einmal etwas Zeit für mich!"; "Ich bin so allein!"; "Niemand hört mir zu!" Die Hektik des modernen Lebens, die Ökonomisierung von Pflege und Sozialleistungen zwingt zu möglichst schnellem und effektivem Handeln. Es fehlt oft –gegen den Willen der Hilfeleistenden –die Zeit, einem anderen einfach einmal zuzuhören. Zeit haben, zuhören können –ein Werk der Barmherzigkeit, paradoxerweise gerade im Zeitalter technisch perfekter, hochmoderner Kommunikation so dringlich wie nie zuvor!
„Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selbersagen“ (afrikanische Weisheit). Ich will helfen, wo ich gefragt bin, und tun, was ich kann, um Leben zufördern: Zuhören, weil ich so anderen helfe und selber Hilfe erfahren kann.
Gott, unser Vater.
Wir sind als deine Gemeinde versammelt und rufen dich an:
Öffne unser Ohr,
damit wir hören und verstehen,
was du uns heute sagen willst;
Gib uns aber auch ein offenes Ohr für die Menschen um uns herum.
Gib uns ein gläubiges Herz,
damit unser Beten dir gefällt
und unser Leben vor dir bestehen kann.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
3. Ich rede gut über dich.
Bei einer Online-Umfrage gab die Hälfte der User auf die Frage „Lästern Sie gerne über andere Menschen?“ an: „Meinetwegen muss das nicht sein, ich mache es aber auch mal mit.“ Beliebt und dennoch gefürchtet ist nach einer Umfragedas Lästern. Fast jeder macht mit. Aber: Jeder Dritte (30 Prozent) hat Angst um seinen guten Ruf, weil Arbeitskollegen ständig über ihn herziehen.
Jeder hat aber auchschon selbst erfahren: In einem Gespräch, einer Sitzung, einer Besprechung –da gibt es Leute, die zunächst einmal das Gute und Positive am anderen, an einem Sachverhalt, an einer Herausforderung sehen. Natürlich: Man muss auch manchmal den Finger auf Wunden legen, Kritik üben und Widerstand anmelden. Was heute oft fehlt, ist die Hochschätzung des anderen, ein grundsätzliches Wohlwollen für ihn und seine Anliegen und die Achtung seiner Person. Gut über den anderen reden –ob nicht auch Kirchenkritiker manchmal barmherziger sein könnten?
Reden und Hören: „Gott, der Herr, gab mir die Zungeeines Jüngers, damit ich verstehe, die Müden zu stärkendurch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt ermein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger“ (aus dem Buch Jesaja, 50. Kapitel).
Gott, unser Vater.
Lass uns nicht taub werden für dich und die Menschen.
Gib deiner Kirche Tatkraft und Phantasie,
die Sache deines Sohnes weiter zu führen,
damit die Menschen Stellung nehmen müssen
und in ihm den Weg zum Heil finden.
Das gewähre uns durch ihn, Jesus Christus.
4. Ich gehe ein Stück mit dir.
Der Mensch möchte Erfolg, denn sonst würde erniemals laufen lernen: Obwohl Kinder immer wiederfallen, raffen sie sich immer von neuem auf und wagendie nächsten Schritte. Stets mit dem Risiko vor Augen, wieder zu stürzen und blaue Flecken davon zu tragen.
In schwierigen Lebensphasen tut es gut, zusammen mieinem anderen Menschen Probleme zu be-trachten, vielleichtden verborgenen Sinn zu verstehen, gemeinsam Orientierung zu finden.Vielen ist mit einem guten Rat allein nicht geholfen. Es bedarf in der komplizierten Welt von heute oft einer Anfangshilfe, gleichsam eines Mitgehens der ersten Schritte, bis der andere Mut und Kraft hat, allein weiterzugehen. Das Signal dieses Werkes der Barmherzigkeit lautet: "Du schaffst das! Komm, ich helfe dir beim Anfangen!" Unsere Sozialarbeiter der Caritasund Diakonieerfahren das immer wieder Aber es geht hier nicht nur um soziale Hilfestellung. Es geht um Menschen, bei denen vielleicht der Wunsch da ist, Gott zu suchen. Sie brauchen Menschen, die ihnen Rede und Antwort stehen und die ein Stück des möglichen Glaubensweges mit ihnen mitgehen.
Die Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Wegnach Emmaus (Lukasevangelium, 24. Kapi-tel): Amgleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Wegin ein Dorf namens Emmaus. Sie sprachen miteinanderüber all das, was sich ereignet hatte. Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesushinzu und ging mit ihnen. Später sagen sie: „Brannteuns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mituns redete und uns den Sinn erschloss?“
Verborgener Gott.
Du lässt uns Menschen seinen Wege suchen und gehen,
du wartest und greifst nicht ein.
Du gibst uns Zeit,
du öffnest uns Wege,
du redest zu uns in Langmut und Liebe.
Wir danken dir für deine Geduld.
Bring uns immer wiederzur Besinnung.
Mach uns offen für dich.
Lass die ganze verlorene Menschheitden Wegefinden, hinzu dir.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
5. Ich teile mit dir.
Der Chef eines süddeutschen Sportwagen-Herstellers hat nach Meldungen zuletzt ein Jahresgehalt von mehr als 56 Millionen Euro erhalten. Aber: Schon heute leben in Deutschland 13,5 Prozent der Bevölkerung laut Armutsbericht der Bundesregierung in relativer Armut -Tendenz steigend.
Bei einer Umfrage gab jeder zweite Befragte an, unter Zeitdruck im Beruf zu leiden, bei den 18-bis 29-Jährigen sind davon sogar zwei Drittel betroffen. Erstaunlich: Auch die Zeit abseits vom Beruflöst bei vielen Hektikaus. Stress im Alltag (42 Prozent) und Ärger in derFamilie (40 Prozent) rangieren direkt hinter den beruflichen Zwängen.
Es wird auch in Zukunft keine vollkommene Gerechtigkeit auf Erden geben. Es braucht Hilfe für jene, die sich selbst nicht helfen können. Das Teilen von Geld und Gaben, von Möglichkeiten und Chan-cen wird in einer Welt noch so perfekter Fürsorge notwendig bleiben. Ebenso gewinnt die alte Spruchweisheit gerade angesichts wachsender gesellschaftlicher Anonymität neues Gewicht: "Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude!"
„Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderenzu teilen; denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen“ (Hebräerbrief, Kapitel 23).
„Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun“ (Galaterbrief, Kapitel 6).
Gott.
In Jesus von Nazarethast du der Welt den neuen Menschen gegeben.
Wir danken dir, dass wir ihn kennen dürfen;
dass sein Wort und Beispiel inunserem Beten und Tun lebendig wird.
Öffne uns für seine Gegenwart. Rühre uns an mit seinem Geist.
Mach durch ihn auch uns zu neuen Menschen.
Darum bitten wir durch ihn, Jesus Christus.
6. Ich besuche dich.
Fragen nach Einsamkeit und Vereinsamung werden in der Telefonberatung der Telefonseelsorge am zweithäufigsten thematisiert. Den anderen in seinem Zuhause aufsuchen ist besser, als darauf warten, dass er zu mir kommt. Der Besuch schafft Gemeinschaft. Er holt den anderen dort ab, wo er sich sicher und stark fühlt. Die Besuchskultur in unseren Pfarrgemeinden ist sehr kostbar. Lassen wir sie nicht abreißen! Gehen wir auch auf jene zu, die nicht zu uns gehören. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen.
„Entzieh dich nicht den Weinenden, vielmehr traueremit den Trauernden! Säume nicht, den Kran-ken zubesuchen, dann wirst du von ihm geliebt“ (Jesus Sirach,7. Kapitel).„Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird unsbesuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe“(Lukasevangelium, 1. Kapitel).
Gott.
Du kennst uns besser, als wir uns selber kennen.
Du weißt, wie sehr wir derÄnderung und Umkehr bedürfen.
Aber du trittst nicht mit Gewalt an uns heran oder mit List.
Du kommst zu uns mit deinem Wort -
deinem offenen und guten,
deinem fordernden und heilenden Wort.
Gib, dass wir dir heute nicht ausweichen,
dass wir uns öffnen und dein Wort annehmen:
Jesus Christus,unseren Herrn und Gott.
7. Ich bete für dich.
42 Prozent der Deutschen glauben laut einer Umfragean die Kraft des Gebets.Weit mehr als 40.000 Internet-Nutzer besuchen alljährlichdas Fürbittbuch im katholischen Online-Nachrichtenmagazin„kirchensite.de“. Ordensleute beten fürdie dort eingetragenen Anliegen. Ein Nutzer schriebder Re-daktion: „Ich möchte im Namen aller bekanntenund insbesondere im Namen aller unbekannten Nutzer dafür danken, dass ihr diese Möglichkeit geschaffen habt. Die rege und intensive Nutzung dieses Bereichs spricht für sich und zeigt die Notwendigkeit. Vertrauen wir gemeinsam auf Gott. Noch einmal DANKE.“
Wer für andere betet, schaut auf sie mit anderen Augen. Er begegnet ihnen anders. Auch Nicht-Christen sind dankbar, wenn für sie gebetet wird. Ein Ort in der Stadt, im Dorf, wo regelmäßig und stellvertretend alle Bewohner in das fürbittende Gebet eingeschlossen werden, die Lebenden und die Toten –das ist ein Segen. Sag es als Mutter, als Vater deinem Kind: Ich bete für dich! Tun wir es füreinander, gerade dort, wo es Spannungen gibt, wo Beziehungen brüchig werden, wo Worte nichts mehr ausrichten. Gottes Barmherzigkeit ist größer als unsere Ratlosigkeit und Trauer.
Beten hilft immer, wenn es vom Vertrauen auf Gottgetragen ist: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet“, sagt Jesus (Matthäusevangelium 7. Kapitel).
Und der Psalmbeter sagt: „Gehört hat der Herr mein Flehen, der Herr nimmt mein Beten an“ (Psalm 6). – Aber überlassen wir es Gott, wie er uns und anderen helfen will.
Guter Gott.
Durch deinen Sohn Jesus Christus hast du begonnen,
unter uns Menschen
dem Frieden und der Versöhnung Raum zu schaffen.
Mach uns als Christen in dieser Zeit und in dieser Welt
zu offenen und geschwisterlichen Menschen
Hilf uns, dass wir um seinet willen einander annehmen
und zu verstehen suchen, auch wo wir verschiedener Meinung sind.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Vaterunser - Segen
Lied „Verleih uns Frieden gnädiglich“
GL 475