Friedensgebet 10. Oktober
Ökumenisches Montagsgebet am Montag, dem 10. Oktober 2022 als PDF zum Download von Norbert Gundt
Sowohl hier im Dom als Gebetsgemeinschaft als auch mit uns verbunden durch das Internet sind wir versammelt zum Gebet um für den Frieden in der Welt und auch im eigenen Umfeld zu beten.
Das heutige Gebet habe ich anhand der Werke der Barmherzigkeit in ihrer Bedeutung für friedliches Zusammenleben, Frieden und Gerechtigkeit erstellt.
Barmherzigkeit hat in den unterschiedlichen Zeiten immer auch eine unterschiedliche Ausprägung gehabt. In einer Welt ohne Bestattungsinstitute war es ein Werk der Barmherzigkeit, Tote zu begraben. Aus einem Werk der Barmherzigkeit wurde später dann eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit. Inzwischen – angesichts der hohen Preise für eine Beerdigung – ist es schon wieder ein Werk der Barmherzigkeit, auch Hartz-IV-Empfängern und Obdachlosen, ebenso durch Kriegshandlungen getöteten Menschen ein würdiges Begräbnis zu ermöglichen und sie nicht einfach zu verscharren.
Die Ausprägung der Barmherzigkeit hat im Lauf der Zeit Veränderungen erfahren und muss sich auch heute wandeln. Wie also könnte Barmherzigkeit heute aussehen? Die Gewissheiten und Sicherheiten, die lange gegolten hatten, sind uns zum Teil verloren gegangen. Wir sehen, dass in unserer Gesellschaft, in der sozialen Absicherung und Fürsorge, die vom Staat garantiert werden, erhebliche Anstrengungen stattfinden, damit das Netz der Absicherung erhalten bleibt und den neuen Anforderungen gerecht wird. Dabei kommt es zwischen den Parteien, den unterschiedlichen Beteiligten und den Verbänden der Betroffenen zu unterschiedlich starken Reibereien. Wir sehen es gerade jetzt bei den Maßnahmen zur finanziellen Absicherung vieler Menschen und Betriebe.
Ohne Zweifel gelten die klassischen sieben Werke der Barmherzigkeit zeitlos weiter: etwa Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Tote bestatten; oder die geistigen Werke der Barmherzigkeit wie lehren, raten, trösten und verzeihen. Ich unterstreiche in diesem Gebet die Bedeutung der Barmherzigkeit durch angepasste Blickrichtungen.
Beginnen wir das Gebet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
- Kerze
Sie brennt dafür, dass wir einem Menschen sagen: Du gehörst dazu.
Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Menschen durch Institution oder Verhaltensweisen an den Rand gedrückt und sogar unterdrückt werden. Sexistische Bemerkungen und Übergriffe, Mobbing per Internet oder ganz offen, Nichtbeachtung und Unterdrückung widersprechen dem Prinzip Barmherzigkeit ebenso wie die Tatsache, dass Obdachlose, arbeitslose Frauen und Männer, von Arbeitgebern ausgebeutete Kinder, Menschen mit Einschränkungen, psychisch Kranke, Ausländer nicht oder nur teilweise die berechtigte Aufmerksamkeit erfahren.
Auf viele Arten können wir das Signal senden: "Du bist kein Außenseiter!" - "Du gehörst zu uns!" – z. B. auch in unseren Gemeinden – ist das ein sehr aktuelles Werk der Barmherzigkeit.
Jesus hat sich immer gerade um die Benachteiligten gekümmert, ist zu ihnen gegangen, hat sie getröstet und geheilt.
Dazu zu gehören trägt zum Frieden bei.
Gott, annehmender Vater, lass aus Deiner Barmherzigkeit unseren Mut wachsen, alle Menschen in unserer Umgebung liebevoll anzunehmen.
Gesang: Herr, erhöre uns, erhöre uns, Herr erhöre uns, Herr, erhöre uns.
- Kerze:
Sie brennt dafür, dass wir einem Menschen sagen: Ich höre dir zu.
Eine oft gehörte und geäußerte Bitte lautet: "Hab doch einmal etwas Zeit für mich!"; "Ich bin so allein!"; "Niemand hört mir zu!" Die Hektik des modernen Lebens, die Ökonomisierung von Pflege und Sozialleistungen zwingt zu möglichst schnellem und effektivem Handeln. Es fehlt – meistens gegen den Willen der Hilfeleistenden – die Zeit, einem anderen Menschen einfach einmal zuzuhören. Zeit haben, zuhören können – ein Werk der Barmherzigkeit, paradoxerweise gerade im Zeitalter technisch perfekter, hochmoderner Kommunikation so dringlich wie nie zuvor!
Wie aufschlussreich und auch folgenreich ist manchmal das Zuhören, wenn dabei Dinge zutage treten, die ein Verhalten oder Reden in neuem Licht erscheinen lassen!
Zuzuhören trägt zum Verstehen und zum Frieden bei.
Gott, unser zuhörender Vater, stärke unseren Willen und unsere Bereitwilligkeit, in den Familien und Freundeskreisen, den Nachbarschaften und Kirchengemeinden, dass wir die Mitmenschen mit ihren Anliegen und Nöten hören, ihnen zuhören und sie nicht allein lassen. Gott, unser Vater, lass aus Barmherzigkeit unseren Mut zum Zuhören wachsen.
Gesang: Herr, erhöre uns, erhöre uns, Herr erhöre uns, Herr, erhöre uns.
Dazu ein Zitat von Platon von vor über 2000 Jahren: Lerne zuhören, und Du wirst auch von denjenigen Nutzen ziehen, die dummes Zeug reden.
- Kerze
Sie brennt dafür, dass wir einem Menschen sagen: Ich rede gut zu dir.
Jeder hat es schon einmal erfahren, wie hilfreich ein gutes Wort zur richtigen Zeit ist.
Jeder hat es schon einmal mitbekommen oder sogar erfahren, wie mies man sich fühlt, wenn man mit Worten so richtig runtergemacht wird.
Jeder hat das schon in einem Gespräch, einer Sitzung, einer Besprechung erfahren. Da gibt es Leute, die zunächst einmal das Gute und Positive am anderen, an einem Sachverhalt, an einer Herausforderung sehen. Wie angenehm fühlt man sich dabei! Natürlich: Man muss auch manchmal den Finger auf Wunden legen, Kritik üben und Widerstand anmelden. Auch dabei können Wertschätzung und Respekt aufrecht erhalten bleiben. Gut über den anderen reden – ob nicht auch Kritiker manchmal barmherziger sein könnten?
Gute Worte tragen zum Frieden bei.
Liebender Gott, Du sprichst zu uns nicht laut. Deine Botschaft ist leise
und dennoch eindringlich. Gott, unser Vater, hilf uns dabei, dass wir sie immer besser verstehen.
Gesang: Herr, erhöre uns, erhöre uns, Herr erhöre uns, Herr, erhöre uns.
- Kerze
Sie brennt dafür, dass wir einem Menschen sagen: Ich gehe ein Stück mit dir.
Vielen ist mit einem guten Rat allein nicht geholfen. Es bedarf in der komplizierten Welt von heute oft einer Anfangshilfe, gleichsam eines Mitgehens der ersten Schritte, bis der andere den Mut und so viel Kraft hat, allein weiterzugehen. Das Signal dieses Werkes der Barmherzigkeit lautet: "Du schaffst das! Komm, ich helfe dir beim Anfangen!" Besonders Eltern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas, Schulen, Sozialeinrichtungen wissen um die Bedeutung der Hilfe bei ersten Schritten.
Aber es geht hier nicht nur um soziale Hilfestellung. Es geht um Menschen, bei denen vielleicht der Wunsch da ist, Gott zu suchen. Sie brauchen Menschen, die ihnen Rede und Antwort stehen und die ein Stück des möglichen Glaubensweges mit ihnen mitgehen.
Einen Weg gemeinsam zu gehen, trägt zum Frieden bei.
Gott, unser Begleiter, Du unterstützt uns auf ersten Schritten bei neuen Vorhaben, aber ebenso bei Zweifeln am Gelingen unserer Pläne oder unseres Glaubens. Erhalte in uns die Bereitschaft, Deine Begleitung anzunehmen und den Mut, für andere Menschen Begleiter zu sein.
Gesang: Herr, erhöre uns, erhöre uns, Herr erhöre uns, Herr, erhöre uns.
- Kerze
Sie brennt dafür, dass wir einem Menschen sagen: Ich teile mit dir.
Gerade in dieser Zeit wird die gerechte Verteilung der Reichtümer der Welt immer bedeutsamer. Die veränderte Klimalage, Kriege, Hunger und Unterdrückung führen zu immer weiter um sich greifenden Verarmungen, Wander- und Fluchtbewegungen. Es wird auch in Zukunft keine vollkommene Gerechtigkeit auf Erden geben. Es braucht Hilfe für jene, die sich selbst nicht helfen können. Das Teilen von Geld und Gaben, von Möglichkeiten und Chancen wird in einer Welt noch so perfekter Fürsorge notwendig bleiben. Noch viel bedeutsamer ist aber die Hilfe zur Selbsthilfe durch Ausbildung und Technologietransfer zum Nutzen der Empfänger. So gewinnt die alte Spruchweisheit gerade angesichts wachsender gesellschaftlicher Anonymität neues Gewicht: "Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude!"
Geteiltes Wissen schafft Frieden.
Singen wir als Fürbitte die erste Strophe von GL 474
- Kerze
Sie brennt dafür, dass wir einem Menschen sagen: Ich besuche dich.
Meine Erfahrung ist: Den anderen in seinem Zuhause aufzusuchen ist besser, als darauf zu warten, dass er zu mir kommt. Der Besuch schafft Gemeinschaft. Er holt den anderen dort ab, wo er sich sicher und stark fühlt. Die Besuchskulturen in unseren Pfarrgemeinden, den Nachbarschaften und Freundeskreisen, den ambulanten Hospizgruppen und Besuchsdiensten sind sehr kostbar. Lassen wir sie nicht abreißen! Gehen wir auch auf jene zu, mit denen wir nicht so gut zurechtkommen oder die uns sogar fremd sind. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen.
Sich gegenseitig besuchen schafft Voraussetzungen für Frieden.
Hier kann jetzt jeder in Stille oder auch am Mikrofon vor der Gemeinde seine Gedanken Gott vortragen.
Gütiger Gott, nimm unsere Bitten an.
Gesang: Herr, erhöre uns, erhöre uns, Herr erhöre uns, Herr, erhöre uns.
- Kerze
Einem Mitmenschen sagen: Ich bete für dich.
Wer für andere betet, schaut auf sie mit anderen Augen. Er begegnet ihnen anders. Wohl jeder Mensch ist dankbar, wenn für ihn gebetet wird. Im fürbittenden Gebet können wir durch Hinwendung für Mitmenschen zum Segen werden. Sag es als Mutter, als Vater deinem Kind, als Oma und Opa den Enkeln: Ich bete für dich! Tun wir es füreinander, gerade dort, wo es Spannungen gibt, wo Beziehungen brüchig werden, wo Worte nichts mehr ausrichten. Gottes Barmherzigkeit führt aus Feindseligkeit und Gleichgültigkeit hinaus. Für diese Möglichkeit wollen wir dankbar sein.
Füreinander beten schafft Frieden.
Danken wir Gott, indem wir das Gebet Jesu gemeinsam beten.
Vater unser …
Segen:
Gott, unser Herr,
der dich überall und zu jeder Zeit sieht und hört, schütze dich,
wende Sorge und Not von dir ab und lasse dich in Seinem Frieden leben.
Gott, der Vater, segne dich.
Er sei der Raum, in dem du lebst und barmherzig bist.
Jesus Christus, der Sohn, segne dich
Er sei der Weg, auf dem du gehst und barmherzig bist.
Gott, der Heilige Geist, segne dich.
Er sei das Licht, das dich durch dein Handeln zur Barmherzigkeit und zum Frieden führt.
Amen
Herr, gib uns Frieden gnädiglich