Friedensgebet 04. April
Friedensgebet am Montag, den 04.04.2022 zu den sieben Worten Jesu am Kreuz von Probst Hans-Bernd Serries als PDF zum Download.
Jesus der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, unter uns gelebt hat und gestorben ist, zeigt uns noch in den letzten Stunden vor seinem Tod, wie nahe er uns Menschen ist. Er lebte wie ein Mensch und er litt auch wie ein Mensch. Sogar in seinen letzten Stunden gab er uns noch einmal wichtige Hinweise, für unser Leben - so etwas wie ein Testament. Diese Vermächtnisse finden wir in den vier Evangelien in den sieben Worten Jesu am Kreuz, die wir heute Abend zu unserem Gebet werden lassen wollen.
Sein Leiden und Sterben wird uns in dieser Zeit auf bedrückende Weise zum Spiegelbild all des Leids, des Elends und des Sterbens, das der Krieg in der Ukraine über vielen Menschen gebracht hat und wohl auch weiterhin bringen wird.
Jesus,
du Gott mit menschlichem Antlitz:
die, die dein Leben und Sterben für uns aufschrieben -
sieben Worte haben sie dir in den Mund gelegt,
als du auf grausame Weise zum Schweigen gebracht werden solltest
aber du warst nicht zum Schweigen zu bringen
nicht am Kreuz und nicht danach
zu tief die Liebe, die du in deine Freundinnen und Freunde
hinein gepflanzt hattest
sodass sie mutig wurden, immer mutiger
und schließlich doch weitererzählten,
was sie von dir gelernt, was sie mit dir erlebt hatten,
deine Worte, auch diese, deine letzten sieben Worte am Kreuz
du hast sie gesagt, gerufen, gefleht, geschrieen
deine sieben Worte am Kreuz
sie können auch zu unseren Worten werden.
- Um die neunte Stunde schrie Jesus laut: „Eli, Eli, lama sabachtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46 und Markus 15,34)
Jesus zitiert den Anfang des Psalm 22. Er beginnt mit einem Schrei der Gottverlassenheit, bleibt jedoch nicht darin stecken, vielmehr gelangt wer ihn betet durch eine tiefe Todesnot hindurch zu einer starken Zuversicht zur Nähe und Treue Gottes und am Ende sogar zu einem Gotteslob.
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Es ist kein Schrei der Verzweiflung, aber es ist ein Schrei abgrundtiefer Verlassenheit. Ein Schrei, in dem sich alle wiederfinden können, die unter dem Schweigen, der scheinbaren Abwesenheit Gottes leiden und daran zu zerbrechen drohen.
Mein Gott, warum hast du mich verlassen - so darf auch ich schreien, wenn ich nicht mehr durchblicke, wenn mir der Sinn all des Leids und Elends in der Welt fraglich erscheint, wenn ich in dieser Zeit die Sinnlosigkeit eines Krieges nicht mehr verstehe und das Leid so vieler Menschen mit aushalten muss. Doch ich rufe nicht ins Leere. Ich rufe Gott an. Ich frage ihn, ob er uns verlassen hat. Gott versteht, wenn ich angesichts unermesslichen menschlichen Leides zu ihm aufschreie.
Dein Wort der Verzweiflung
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen
So rufst du, von Gott verlassener Gott
So klagst du zu dem Gott, der doch dein Vater ist
Mein Gott, warum hast du mich verlassen
So rufen viele in den schmerzvollen Nächten von Krankheit, Krieg und Terror
und den vielen anderen tödlichen Frechheiten dieser Welt
und du leidest mit, Jesus, wenn einer deiner Brüder,
eine deiner Schwestern leidet
unsere Kreuze werden nicht kleiner
durch dein Kreuz
aber ich weiß keinen besseren Trost
als den:
Dass du weißt, was das heisst:
Verlassen sein, verzweifelt sein
Dein Leiden hat Gott verändert
Und mein Bild von ihm
- Während die Soldaten unten sitzen und seine Kleider untereinander verteilen, sagt der am Kreuz Hängende: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34)
Natürlich ist die römische Kohorte, die mit der Hinrichtung Jesu beauftragt ist, in ihrem Si-cherheitsdenken gefangen und meint, damit ein gutes Werk zur Gefahrenabwehr zu tun. In Jesus Gottes Sohn zu erkennen, liegt den Soldaten fern. Auch gegenüber seinen Peinigern lässt Jesus keinen Fluch und keine Beschimpfung hören. Jesus leidet so, wie er es in der Bergpredigt gefordert hat: „Liebe deine Feinde!“, „Halte dem, der dich auf die rechte Backe schlägt, auch die andere hin!“ Er leistet Fürbitte selbst für diese Folterknechte! Er stirbt auch für die, die diesen Tod als banalen Akt empfinden.
Und er spricht ein Wort der Entschuldigung, ein Wort der Vergebung. Es gilt all denen, die sein Leben auslöschen. Für Jesus gibt es keine Feinde. Er vergibt ihnen, indem er sich für sie hingibt.
Wenn wir auf uns selber schauen, dann werden wir den Unterschied zum Verhalten Jesu sehen. Jesus hat niemandem Unrecht getan. Wir hingegen sind auf die Vergebung durch Gott und unsere Mitmenschen angewiesen. Umso mehr sollten wir uns von der vergeben-den Liebe Jesu anstecken lassen, uns von ihm die Kraft schenken lassen, all denen zu verzeihen, die uns Unrecht getan haben. Dann werden auch wir mit Jesus, aus seinem Geiste, beten können.
Das Wort von der Vergebung
“Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ -
unter deinem Kreuz, Jesus, muss ich Anderes erbitten:
Vater, vergib auch uns, wir wissen nur zu oft, was wir tun
Und was wir lassen
Und was wir tun sollten
Und Jesus, Bruder am Kreuz
bittest du auch für uns um Vergebung?
ich hoffe – und glaube: ja.
- Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lukas 23,43)
Einer der beiden Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt werden, erkennt seine Schuld und die Gerechtigkeit seiner eigenen Bestrafung. Er bittet Jesus in gläubiger Zuwendung, im Reich Gottes an ihn zu denken.
Dieser Verbrecher hat Jesus vorher nicht gekannt. Er sieht ihn jetzt. Ihn, der wie er am Kreuz hängt. Diesem Verbrecher spricht Jesus Hoffnung zu. Solche Hoffnung weckt er in allen, die schuldig geworden sind und deswegen verachtet werden. Von seinem Vater sagt Jesus in der Bergpredigt, dass er seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse, regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (Mt 5, 45).
Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein, im Reich Gottes. Reich Gottes, ist das nicht der Ort, wo Gott schon hier und jetzt mit uns lebt? Da, wo wir, getragen sind von der gren-zenlosen Liebe Gottes zu allen Menschen, offen werden für andere, auch für diejenigen, die wir so schnell als hoffnungslos einstufen.
Dein Wort von der großen Zukunft
Selbst für jenen Verbrecher, der neben dir am Kreuz hing
„Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“
Er hatte nichts mehr zu erwarten außer das Ende
Er hatte seine gerechte Strafe bekommen
Und er hat sich nicht einmal dagegen aufgelehnt
Aber er hat gespürt, dass es bei dir anders war
Dass man dich aus dem Weg räumen wollte
Obwohl du nichts getan hattest
Außer dass du den Blinden das Augenlicht schenktest
Dass du die Lahmen gehen machtest
Dass die Kranken und die Gekränkten gesehen,
Angesehen hast
Der Mörder neben dir am Kreuz
Er hat gespürt, dass da die Liebe selber hing
Aufs Kreuz gelegt wurde
Und es war nicht zu spät für ihn
Es ist nie zu spät,
Gnade vor Recht ergehen zu lassen
Du, sterbender, menschlicher Gott,
göttlicher Mensch
Du hast ihm einen Platz in Gottes Liebe
reservieren lassen
„Heute wirst du mit mir im Paradies sein“
- Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter!“ (Johannes 19,26-27)
Jesus geht es nicht in erster Linie darum, dass seine Mutter versorgt ist. Das wäre zu vor-dergründig gedacht. Noch im Sterben hat er im Kopf, was die Menschen brauchen – so übt er Nächstenliebe und mahnt zugleich bei seiner Mutter und dem Jünger, der ihm besonders nahe steht, genau jene Nächstenliebe an, die er immer gepredigt hat. Maria und der Lieb-lingsjünger waren bisher nicht gemeinsam mit Jesus unterwegs. In der Liebe jedoch werden sie einander zu Nächsten und sind jetzt praktisch eine Familie.
Und was für die beiden gilt, das gilt gewiss für alle, die sich auf Jesu Weg einlassen.
Siehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter! Jesus weist uns so den Weg, Grenzen der Familie, des Volkes, der Rasse, der Religion, des Nationalismus zu durchbrechen. Auf Menschen, die uns fremd sind, zuzugehen. Ihnen, wo es uns möglich ist, hilfreich zur Seite zu stehen. Denn im Blute Jesu sind wir alle miteinander verwandt und auch der fernste Mensch ist unser Bruder, unsere Schwester.
Dein Wort des Aneinanderweisens
„Frau, siehe, das ist dein Sohn“ und
„Johannes, siehe, das ist deine Mutter“
Du wolltest nicht, dass jemand allein wäre
Mit seiner Trauer
Mit seinem Leben
Mit seinen Hoffnungen
Du willst dass Menschen dieses Leben teilen
Miteinander
Als wären sie schon wirkliche Geschwister
oder Mutter und Sohn
oder Vater und Tochter
- Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: „Mich dürstet.“ (Johannes 19,28)
Der elementar menschliche Ruf zeigt die ganze qualvolle Situation des Gekreuzigten, der sich nicht helfen kann, sondern angewiesen ist auf die Gnade anderer. Ohnmacht und Armut Jesu werden darin offenkundig. Auch dies ist wieder ein Zitat aus den Psalmen: Der 63. Psalm bringt mit diesen Worten die Sehnsucht nach Gott zum Ausdruck: „Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürren Land, wo kein Wasser ist.“
Mit seinem Ruf „Mich dürstet!“ erweist sich Jesus einerseits als bedürftiger Mensch, ande-rerseits als einer, der sich auf Gott angewiesen weiß und ganz gewiss ist, von Gott die Erquickung des Lebens zu erhalten.
Jesus dürstet danach, dass der Durst unseres Herzens gestillt wird. Der Durst, die Sehn-sucht, angenommen und geliebt zu sein. Die Sehnsucht nach erfülltem Leben. Das Verlan-gen, friedlich und gewaltlos miteinander umzugehen. "Wer zu mir kommt," - das ist die Ver-heißung Jesu - "der wird nicht mehr hungern, und wer an mich glaubt, der wird nie mehr Durst haben" (Joh 6, 35).
Das Wort vom Durst
„Mich dürstet“
Es zeigt dich von deiner menschlichsten Seite, Jesus
Du hattest Durst
Die Zunge klebte dir am Gaumen vor Trockenheit
Es tut weh, wenn man nichts zu trinken bekommt
So viele haben Durst
Bis heute
Wasser, zum Durstlöschen bitter nötig,
bitter, wie der Essig, den du bekamst
Wasser, lebensnotwendig
zu viele warten vergeblich darauf
zu viele haben keinen Zugang zu frischem, klarem,
unverschmutztem Wasser
- auch in Europa, in Mariupol und anderswo
An Wasser fehlt es uns nicht, Jesus
Unser Durst schmeckt anders
Nach Leben,
Die Zunge klebt manchem am Gaumen
aus Angst
aus innerer Leere
führ uns zum frischen Wasser
zur Quelle des Lebens
wer von dir trinkt, den wird nicht mehr dürsten
ist versprochen
- Und Jesus rief laut: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23,46)
Auch dies ist kein Ruf der Verlassenheit, sondern des glaubenden Vertrauens. Jesus ist in die Hände der Menschen gegeben worden, und nun übergibt er sich selbst (wieder) in die Hände seines Gottes.
Wenn ich mich nun auf dieses erlösende und befreiende Tun Gottes einlasse, wenn ich Jesus nachzufolgen suche, in den Umständen meines Lebens und im Maße meiner Mög-lichkeiten, wenn ich auch das, was mir im Leiden widerfährt, im Vertrauen in Gottes Führung und Fügung annehme, dann werde ich auch immer wieder sprechen können: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mein Leben vertraue ich dir an. Ich lege mich ganz in deine Hände“.
Das kann nun auch wieder in der Stille oder im gesprochenen Wort ausgedrückt werden…
Dein Wort der Übergabe
„Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“
Am Ende geht der Weg durch die Verzweiflung,
die Gottesferne hindurch
Zu Gott, in dessen Hand du endlich unendliche Geborgenheit erwartetest
Und wir ahnen und wir hoffen und wir glauben
Dass wir da besser aufgehoben sind
als bloß in unseren eigenen Händen,
und in den Händen der Menschen.
- Als Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: „Es ist vollbracht!“, und neigte das Haupt und verschied. (Johannes 19,30)
Auf der menschlichen Ebene bringen diese Worte zum Ausdruck: „Ich muss jetzt sterben“. Johannes versteht Jesu Tod aber nicht als ein passives Erleiden, vielmehr ist mit seinem Tod ein Werk vollendet. Jesus hat den Sieg über die Mächte dieser Welt und über den Tod errungen. Er stirbt zwar wie ein Ungerechter, jedoch nicht als ein solcher. Er geht an der Last der Sünden in dieser Welt zugrunde, damit wir nicht daran zerbrechen. Vollbracht hat er die Vergebung unserer Sünden und den Erweis der Liebe Gottes.
Die Geschichte Jesu ist keine Erfolgsgeschichte, so wie wir Menschen sie im Allgemeinen verstehen und erstreben. Menschlich gesehen ist Jesus gescheitert. Seine Liebe brachte ihm den Tod. Jesus sagt nicht: Ich habe gesiegt, sondern immer noch in Qualen am Kreuz hängend: Es ist vollbracht!
Vollbracht ist seine Liebe, mit der er bis zum Äußersten gegangen ist. Sein Leben hat in der Hingabe an die Menschen, im Tod für uns den letzten Sinn erfahren. Seitdem ist Tod Leben und Niederlage ist Sieg.
Dein Wort vom Ende allen Kampfes
„Es ist vollbracht“
Du hast ausgehalten
Du hast nicht zurückgeschlagen
Du hast der Liebe ein Gesicht gegeben,
ein Schmerzverzerrtes
ein Bleibendes
Und doch standen und stehen so viele Kreuze nach deinem
Auf der Erde
Das Kreuz des Krieges
Das Kreuz des Terrors
Das Kreuz der Armen
Das Kreuz der Hungernden
Das Kreuz der Verfolgten
Das Kreuz der Unterdrückten
Noch ist längst nicht alles vollbracht
Nicht bei uns…
Vaterunser - Segen
Lied „Verleih uns Frieden gnädiglich“ GL 475