Gottesdienst zum 27. Juni
von Pfarrer Thomas Ring als PDF zum Download.
Biblisches Votum zum 4. Sonntag nach Trinitatis, 27.6.2021
„Helft einander, die Lasten zu tragen.
So erfüllt ihr das gute Gebot, das Christus uns gegeben hat.“
(Galater 6, 2)
Eröffnung
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes.
Amen.
Gebet
Gott, Herr des Himmels und der Erde,
du lädst uns ein, als deine Kinder zu dir zu kommen.
Doch nur zögernd kommen wir in deine Nähe, fragend, zweifelnd.
Manches von dem, was wir getan haben, bedrückt und belastet uns.
Streit, den wir nicht geschlichtet haben.
Verantwortung, der wir nicht gerecht geworden sind.
Worte, mit denen wir andere Menschen gekränkt, verletzt und klein gemacht haben.
Das Gefühl von Schuld klebt an uns wie schwere nasse Erde.
Doch du, Gott, willst uns Herz und Seele erneuern,
dass wir voller Hoffnung und Freude als deine Kinder leben können.
Erneuere unseren Blick auf uns selbst und auf die anderen.
Gib uns den Mut zum Brückenbauen.
Amen.
Lied zum Sonntag
- Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen, gib mir Mut zum ersten Schritt, lass mich auf deine Brücken trauen, und wenn ich gehe, geh du mit.
- Ich möchte gerne Brücken bauen, wo alle tiefe Gräben sehn.
Ich möchte über Zäune schauen und über hohe Mauern gehn. - Ich möchte gern dort Hände reichen, wo jemand harte Fäuste ballt.
Ich suche unablässig Zeichen des Friedens zwischen Jung und Alt.
(Zum Anhören und Mitsingen: https://bit.ly/brückenbauen)
Ein Text aus der Bibel
zum 4. Sonntag nach Trinitatis
Die Brüder Josefs fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sie dachten: „Hoffentlich ist Josef uns gegenüber nicht nachtragend. Sonst wird er uns all das Böse heimzahlen, das wir ihm angetan haben. Darum ließen sie ihm mitteilen: „Dein Vater hat uns vor seinem Tod aufgetragen, dir zu sagen: ‚Vergib deinen Brüdern das Unrecht und ihre Schuld! Ja, sie haben dir Böses angetan. Nun vergib ihnen dieses Unrecht. Sie dienen doch dem Gott deines Vaters!“
Als Josef das hörte, fing er an zu weinen.
Da gingen seine Brüder zu ihm hin, warfen sich vor ihm nieder und sagten: „Wir sind deine Knechte.“
Aber Josef sagte zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Bin ich etwa Gott? Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet. Er wollte tun, was heute Wirklichkeit wird: ein großes Volk am Leben erhalten. Deshalb fürchtet euch nicht! Ich werde für euch und für eure Kinder sorgen.“
Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.
(1. Buch Mose, 50, 15-21)
Gedanken zum Weiterdenken
Hast du schon dein Testament gemacht? Das könnte eine Frage aus einem Fernsehkrimi sein – oder eine ernsthafte Frage, ob ich mir eigentlich darüber Gedanken mache, was mir im Leben wichtig ist und darum auch über mein Leben hinaus Bestand haben soll. Da wäre es wirklich schade, wenn es dann am Ende nur noch darum gehen sollte, Haus, Auto oder Aktiendepots zu verteilen.
Ein Testament ist ein Zeugnis über mein Leben.
Was soll denn nun bleiben von meinem Leben?
Was ist mit den Träumen, den Idealen, den wertvollen Erfahrungen? Und was ist mit Tränen, Enttäuschungen und mit der Liebe?
Was ist mit meinem Glauben, meiner Hoffnung?
Jedes Leben ist der Erinnerung wert.
Tausendmal wichtiger als Haus und Sparbuch.
Josef war der Lieblingssohn seines Vaters Jakob, beneidet von den Brüdern, die ihn schließlich schnappen und nach Ägypten verkaufen, den Vater mit seinen blutgetränkten Kleidern täuschen.
Jakob ist zu Tode betrübt.
In Ägypten macht Josef wider Erwarten politische Karriere, deutet Träume, erhält trotz aller Widrigkeiten einen hervorragenden Job beim Pharao.
Als in Israel eine Hungersnot ausbricht, schickt Jakob zehn seiner verbliebenen Söhne – Benjamin bleibt zu Hause – nach Ägypten. Dort gibt es ein Hin und Her, Täuschung, Druck – nun von Joseph, dem Kämmerer des Pharao, den die Brüder nicht als ihren Bruder erkennen.
Josef blockt.
Und noch einmal macht Josef bei einem zweiten Bittbesuch den Brüdern Angst, bis er sich schließlich zu erkennen gibt.
Das führt dann endlich Jakob, den sehr alten Vater, die Brüder und Josef wieder zusammen.
Doch als Jakob schließlich hochbetagt stirbt, kommt bei den Brüdern Angst auf. Ihr schlechtes Gewissen lässt sie die Rache Josefs fürchten. Jakobs Wunsch war Vergebung des betrogenen Bruders. Versöhnung unter Brüdern.
Kennen Sie den Streit unter Geschwistern beim Erben? Bestimmt, sei es aus eigener Erfahrung oder aus Krimis, Dramen und Fernsehserien.
Die Bibel ist ein ehrliches Buch. Nichts wird beschönigt, nichts wird ausgeklammert. Sie redet von Erfüllung und Enttäuschung, von Bewahrung und Gefährdung, von Weite und Begrenztheit, Zusammengehörigkeit und Einsamkeit, von Schwermut und Freude. Beim Lesen entdecken wir: Da wird ja ganz viel über uns geredet!
Am Ende der Geschichte von Josef und seinen Brüdern lesen wir von einem mündlichen Testament. Und von einem der wichtigsten Wünsche, die alte Eltern wohl haben: dass sich die Kinder vertragen, dass die Familie zusammenbleibt.
Aber ist das nicht bloß ein frommer Wunsch?
Da sind so viele Spannungen, die sich über Jahre aufgebaut haben.
Da sind Eifersüchteleien und Neid, und unausgesprochene Schuld.
Josefs Brüder sind voller Angst, voller Schuldgefühl, werfen sich vor ihm auf die Knie. Josef sagt ein Wort, das sonst Engel sagen: „Fürchtet euch nicht!“ Dann aber die wesentliche Einsicht, die Annahme des Testaments: „Ihr habt Schlimmes getan, Gott wollte, dass unsere gemeinsame Zukunft gut sei.“
In Familien, in der Gemeinde, ja bis hinein in die gesellschaftliche Diskussion über Fehler bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie höre ich immer wieder dieselben vorwurfsvollen Fragen:
Wer hat Schuld? Wer ist verantwortlich für das jetzt eingetretene Dilemma? Wer hat uns auseinandergebracht?
Josef hat dazugelernt.
Er konnte nicht nur Träume deuten. Er hat verstanden, was Gott von uns, ja was er für uns will.
Wir beten – nicht nur im Gottesdienst – „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Man könnte das Ganze auch umkehren: Wir vergeben denen, die an uns schuldig geworden sind. Und können so auch um Vergebung bitten für eigenes Versagen.
Daraus wird eine Brücke, die uns über den Abgrund von Vergeltung und Entzweiung trägt, in eine gemeinsame Zukunft.
Bitten zum Weiterbeten
Wir bitten dich, Gott, schenke uns gesundes, behütetes Leben.
Gib gute Tage mit klaren Zielen.
Gib uns Augen für unsere Nächsten,
die hellsichtig sind für Zeichen der Not.
Gib uns offene Ohren,
die auch die leisen und verschämt geflüsterten Bitten hören.
Gib uns Fingerspitzengefühl besonders im Umgang
mit schwierigen Menschen – solchen, wie wir es sind.
Wir bitten dich, Gott, um gute Nerven, damit wir uns an Kleinigkeiten nicht gegenseitig zerreiben.
Du willst ja nicht, dass wir uns gegenseitig das Leben schwer machen.
Du willst doch, dass wir uns im Leben und zum Leben helfen,
uns gegenseitig stützen und auch einmal Lasten abnehmen.
Wir beten zu dir mit Worten, die du uns gemeinsam anvertraut hast:
Mit Jesus beten
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Segen
Um deinen Segen bitte ich dich, mein Gott.
Segne sie, die Brückenbauer, die Friedensstifter, die Lebensretter.
Segne sie, die Mutmacher, die Problemlöser, die Trostspender.
Segne auch mich, wenn ich versuche, auf deinen Wegen zu gehen und mich vom Geist deiner Liebe leiten zu lassen.
Amen.