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Gottesdienst 7. März 2021: Okuli

von Prädikantin Dr. Esther Sühling und Pfarrerin Dagmar Spelsberg-Sühling als PDF zum Download.

Wir begrüßen Sie mit dem Wochenspruch aus Lk 9,62
Jesus spricht: »Wer die Hand an den Pflug legt und dann zurückschaut, ist nicht brauchbar für das Reich Gottes.«

Wir laden Sie ein, für diesen Gottesdienst Ihre Kerze anzuzünden.

Gesellschaftlich feiern wir in diesem Jahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Deshalb möchte ich heute mit einem Lied aus der jüdischen Spiritualität beginnen:
Musik: https://www.youtube.com/watch?v=OEsMlW3mB4I&ab_channel=ShlomoCarlebach

Text auf englisch:
Return again, return again / Return to the land of your soul / Return again, return again
Return to the land of your soul / Return to what you are/ Return to who you are / Return to where you are born and reborn again.

Text übersetzt:
Kehre zurück (oder: um), kehre zurück, /kehre zurück in das Land deiner Seele / Kehre zurück, kehre zurück
Kehre zurück in das Land deiner Seele/ Kehre zurück zu dem, was Du bist / Kehre zurück zu dem, der / der, die Du bist / Kehre zurück von wo du geboren wurdest und immer neu geboren wirst.

Ja, auch wir wollen uns zurückwenden, an unseren Ursprung, an das Himmelreich und verbinden uns jetzt im Feiern….
…. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Unsere Hilfe steht im Namen Gottes, der Himmel und Erde gemacht hat.

Gebet:
Stille mich Gott im Schweigen
Nähre mich fülle mich Gott mit Liebe
Berge mich leite mich Gott ins Weite
Stärke mich Gott mit Freude
Gründe mich tauche mich ein ins Tiefe
Höre mich Gott

Heute sind wir vor Dir, oh Gott

Ja gesagt und auch Nein zur richtigen Zeit
Menschen getroffen und Heimat gefunden am richtigen Ort
Arbeit getan und den Sinn gewusst
Leben geschmeckt und verstanden worden bis in die Tiefe
Den müden Kopf in Dein Dunkel gelegt
Und die offenen Fragen an Dein Herz ruhewärts.

Müde von allen Corona-Unsicherheiten
Müde von allem Tun und Machen wollen,
vom viel zu viele Nachrichten hören und nicht mehr hören wollen,
von Normalität – schon soweit weg, dass man nicht mehr weiß,
wonach man sich sehnt
Sehnsucht nach einem Ort, nach Menschen, nach einer Zeit, wo es gut ist,
wo ich meinen müden Kopf in Deinen sanften Schoß legen kann.

Gott, in Deine Arme bette ich mich jetzt. Amen

Lied: https://www.youtube.com/watch?v=9_sGRS8Rs6I&ab_channel=Nik2k1
Text:
Bei Gott bin ich geborgen, still wie ein Kind; Bei ihm ist Trost und Heil
Ja, hin zu Gott verzehrt sich meine Seele
Kehrt in Frieden ein

Seit Jahrtausenden gibt es Ungemach, Widerstände; Not, Seuchen.
Und viele von uns Menschen kämpfen für besseres, heileres Leben, für Gerechtigkeit,
tun, was ihnen möglich ist, was nötig ist. Aber es gibt nicht immer ein Happy End.
Im Alten Testament wird eine Geschichte erzählt von Elia, dem Propheten Gottes, der wacker für Gott gestritten hatte, alles getan hatte, was gut und richtig war. Doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere kippt sein Leben plötzlich in einen Abgrund. Gerade hatte er noch den Sieg gegen den Unglauben errungen,… jetzt sieht er sich verfolgt, in existentieller Angst um sein Leben …

Lesung aus dem ersten Buch der Könige, dem 19. Kapitel
1 Und König Ahab sagte seiner Frau Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! 3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. 4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. 5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! 6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Haupt lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. 8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

In Angst und Depression flieht er in die Wüste. Leer, erschöpft, ausgebrannt, ohnmächtig, ja lebensmüde legt er sich fern der Begleiter unter einen Ginsterstrauch. Er gibt auf … lässt los. Und zwar alles. Komme doch was wolle. „Ich kann nicht mehr“.
Doch da regt sich etwas … in ihm? Im Aussen? Ein Engel Gottes rührt in an. „Steh auf und iss“. Das heißt: Sorge für Dich, sorge für deinen Leib, tu dir Gutes, nähre Dich.
Doch Elia ist noch nicht wiederhergestellt. Vielleicht spürt er auch, dass der alte Weg nicht weitergeht, ein neuer noch nicht in Sicht ist. Er legt sich wieder schlafen… Bis der Engel zum zweiten Mal kommt: „Stärke Dich, iss und trink, damit du diese lange Strecke noch schaffen kannst.“ Und Elia macht sich auf, nach der Unterbrechung, dem Loslassen von allem, macht er sich auf, einen neuen Weg zu erkunden. Er ist achtsamer und vorsichtiger geworden.

Sie hören schon die Parallelen zu uns heute….
Bis zum Beginn von Corona und auch während dessen haben wir uns angestrengt – unser Leben gelebt – waren in der Regel in Sicherheit – hatten unser soziales Verbindungen: unseren Verein, unseren Chor – oder was auch immer. Sind essen gegangen, haben einen Sinn gesehen …. Das war unser Leben, unsere Identität, mehr oder minder unser Wohlbefinden, Zufriedenheit.
Hilarian Petzold, ein deutscher Psychologe, Begründer der Integrativen Therapie und des Fritz-Perls Institiuts, hat für therapeutische Arbeit ein Modell entwickelt.
Danach bilden 5 Säulen unsere Identität und Zufriedenheit: Arbeit und Leistung, materielle Sicherheit, Soziales, Körper, sowie Werte, Normen und Sinn.
Hier dieses Modell:

Und wir stellen fest: alle 5 Säulen sind durch Corona und den Umgang damit betroffen:
Kein Sport, kein Fitnessstudio, lange keine Fußpflege, keine Gruppentreffen mehr, kaum soziale Kontakte, die Arbeit unsicher, die Leistung in Frage gestellt (Systemrelevanz?), bei vielen auch eine materielle Unsicherheit, oder die Befürchtung eines wirtschaftlichen Desasters. Reisen ist nicht mehr so möglich. Urlaub? Da ist nur Balkonien und Gartenien möglich. Und welche Werte, welchen Sinn, welche Glaubenssätze hatte ich vorher und was ist jetzt davon übrig?
Unsere Identität, und nicht nur unsere eigene, ist ins Wanken geraten.
Und ich reagiere mit vielen Gefühlen und Gedanken darauf, es ist wie ein inneres Team:
Da gibt es: Die Traurigen, die Vernünftigen, die Ängstlichen, die Korrekten, die Kreativen, die Gleichgültigen, die Zornigen, die Gehorsamen, die Rebellen, die Zupackenden. Alle diese Anteile sind in uns und in der Gesellschaft, und wir können dieses Corona Problem nicht lösen. Denn es ist kein Problem, das zu lösen wäre. Es ist ein Dilemma. Was immer ich tue, schafft ein Problem. Lockerungen durchsetzen erhöht die Gesundheitsgefahr. Die Gesundheit schützen verursacht Isolation und Armut.
Da kommt unwillkürlich bei vielen das Gefühl: ich will einfach nur noch meine Ruhe haben oder „in den Winterschlaf“, will mich wie Elia in die Einsamkeit flüchten unter einem Ginsterstrauch legen.
Und so ein Wunsch ist normal und folgerichtig – einfach der Seele Gelegenheit geben, hinterher zu kommen.

Wenn Sie mögen, hören Sie nochmal das erste Lied aus der jüdischen Spiritualität:

Der Predigttext erzählt: ein Engel kam und rührte Elia an: steh auf und iss!
Stärken sollen wir uns auf dem Weg – vorbereiten, damit wir die Durststrecke durchhalten – mehr sagt die Stimme Gottes nicht.

Vielleicht mögen Sie sich zuhause einmal zurücklehnen, die äußeren Augen schließen und die inneren Augen öffnen, und Sie sich vorstellen: Es käme jetzt ein Engel zu Ihnen und würde Ihnen etwas von Gott mitteilen, mitgeben, was wäre das?

Über alle Jahrhunderte hinweg haben immer wieder Menschen Kraft geschöpft – durch ihren Kontakt mit dem Göttlichen Geheimnis, durch ein Wort, durch Stille, durch die Liebe eines anderen Menschen….. Ich weiß, dass hinter allem, über allem unter allem die Liebe Gottes ist, die mich aufrichtet, tröstet und stärkt.

Und das ist auch etwas, was hilft: Der Glaube daran, dass es letztendlich, ganz am Ende, gut geht oder wird. Dass Gott uns trägt. Auch in der Zeit der Seuchen, heute Pandemie genannt.
Und es hilft, das zu akzeptieren, wie es ist. Und dafür dürfen wir uns Zeit nehmen. Es ist ok so, wenn wir Ruhe brauchen, gerade nicht so leistungsfähig sind. Es ist ok, sich auch mit der Müdigkeit Gott hinzuhalten und ihn und sie zu bitten: Stärke mich, tröste mich, sei bei mir. Einfach nur da sein. Unter dem Ginsterbusch. Sich stärken für die Wanderung. Und vertrauen. Wir können nur das tun, was wir tun können. Das Gebet der Anonymen Alkoholiker zeigt dies:
Gott gebe mir
die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Und weiter heißt es dort:
Gott, gebe mir
die Geduld mit Veränderungen, die ihre Zeit brauchen,
und Wertschätzung für alles, was ich habe.
Toleranz gegenüber jenen mit anderen Schwierigkeiten
und die Kraft aufzustehen und es wieder zu versuchen –

Nur für heute.

Und Dietrich Bonhoeffer schrieb im Gefängnis ein Gedicht, von dem eine Strophe in Taizé vertont wurde: Ein Lied, was uns auch noch Trost geben kann.
Lied zum Anhören: https://www.youtube.com/watch?v=V-pZp2OQm_0&ab_channel=Taiz%C3%A9-Topic
Text:
Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir
Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht
Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld
Ich verstehe deine Wege nicht
Aber du weißt den Weg für mich

Vielleicht mögen Sie sich jetzt eine kurze Weile der Stille gönnen, in der sie Ihre Gebete, Ihr Dank, Ihre Bitten vor Gott bringen.

Zeit für Persönliche Fürbitte

Wir beten das Vaterunser in einer modernen Übertragung:
Vater und Mutter des Kosmos, Urgrund der Liebe!
Bereite in uns den Raum des Herzens,
dass wir Dein Licht und Deinen Klang
in Frieden erfahren.
Deine Wirklichkeit offenbare sich.
Dein Verlangen: eine Himmel und Erde,
dass wir Deine Liebe in unserer entdecken.
Gib uns Tag um Tag,
was wir an Brot und Einsicht brauchen.
Löse die Fesseln unserer Fehler,
wie auch wir freigeben,
was uns an die Verstrickung und Schuld der anderen bindet.
Führe uns in der Versuchung.
Bewahre uns vor falschem Begehren,
und befreie uns von Irrtum und Bösem.
Denn Dein ist das Reich der Liebe und des Friedens,
die Fülle des Lebens und der Klang des Kosmos,
der alles erneuert von Weltzeit zu Weltzeit.
Ich bekräftige all dies mit meinem ganzen Sein.
Amen.

Segen:
Gott,
du Quelle des Lebens,
du Atem unserer Sehnsucht,
du Urgrund allen Seins
Segne uns
Mit dem Licht deiner Gegenwart,
das unsere Fragen durchglüht
und unseren Ängsten standhält
Segne uns,
damit wir ein Segen sind
und mit zärtlichen Händen
und einem hörenden Herzen,
mit offenen Augen
und mutigen Schritten
dem Frieden den Weg bereiten.
Segne uns,
dass wir einander segnen und stärken
und hoffen lehren wider aller Hoffnung,
weil du unserem Hoffen Flügel schenkst
Amen
So sei es
So ist es
Amen

Lied: EG 369, 1-3
https://www.youtube.com/watch?v=gxOm247UY3E&ab_channel=CalvinHobbes

  1. Wer nur den lieben Gott lässt walten
    und hoffet auf ihn allezeit,
    den wird er wunderbar erhalten
    in aller Not und Traurigkeit.
    Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut,
    der hat auf keinen Sand gebaut.
  2. Was helfen uns die schweren Sorgen,
    was hilft uns unser Weh und Ach?
    Was hilft es, dass wir alle Morgen
    beseufzen unser Ungemach?
    Wir machen unser Kreuz und Leid
    nur größer durch die Traurigkeit.
  3. Man halte nur ein wenig stille
    und sei doch in sich selbst vergnügt,
    wie unser’s Gottes Gnadenwille,
    wie sein Allwissenheit es fügt;
    Gott, der uns sich hat auserwählt,
    der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.

Danke für Ihr Mitbeten und -feiern!